Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

unsres Vertrauens. Es konnte ja so sein, wie sie sagte. Und wenn es so war, warum sollte sie nicht ausrufen:Gott sei Dank!"

Und so, rasch alle Möglichkeiten ins Auge sassend, wurde er seines Arg­wohns wieder Herr und reichte ihr die Hand über den Tisch hin:Verzeih' mir, Esfi, aber ich war so sehr überrascht von dem Allen. Freilich Wohl meine Schuld. Ich bin immer zu sehr mit mir beschäftigt gewesen. Wir Männer sind alle Egoisten. Aber das soll nun anders werden. Ein Gutes hat Berlin gewiß: Spukhäuser gibt es da nicht. Wo sollen die auch Her­kommen? Und nun laß uns hinüber gehen, daß ich Annie sehe; Roswitha verklagt wich sonst als einen unzärtlichen Vater."

Esfi war unter diesen Worten allmälig ruhiger geworden und das Gefühl, aus einer selbstgeschasfenen Gefahr sich glücklich befreit zu haben, gab ihr ihre Spannkraft und gute Haltung wieder zurück.

Zweiundzwanzigstes Capitel.

Am anderen Morgen nahmen beide gemeinschaftlich ihr etwas verspätetes Frühstück. Jnnstetten hatte seine Mißstimmung und Schlimmeres überwunden, und Esfi lebte so ganz dem Gefühl ihrer Befreiung, daß sie nicht bloß die Fähigkeit einer gewissen erkünstelten guten Laune, sondern fast auch ihre frühere Unbefangenheit wieder gewonnen hatte. Sie war noch in Kessin, und doch war ihr schon zu Muthe, als läge es weit hinter ihr.

Ich habe mir's überlegt, Esfi," sagte Jnnstetten,Du hast nicht so ganz Unrecht mit Allem, was Du gegen unser Haus hier gesagt hast. Für Capitän Thomsen war es gerade gut genug, aber nicht für eine junge verwöhnte Frau; alles altmodisch, kein Platz. Da sollst Du's in Berlin besser haben, auch einen Saal, aber einen anderen als hier, und aus Flur und Treppe hohe bunte Glasfenster, Kaiser Wilhelm mit Scepter und Krone oder auch was Kirch­liches, heilige Elisabeth oder Jungfrau Maria. Sagen wir Jungfrau Maria, das sind wir Roswitha schuldig."

Esfi lachte.So soll es sein. Aber wer sucht uns eine Wohnung? Ich kann doch nicht Vetter Briest aus die Suche schicken. Oder gar die Tanten! Die finden alles gut genug."

Ja, das Wohnungsuchen. Das macht einem keiner zu Dank. Ich denke, da mußt Du selber hin."

Und wann meinst Du?"

Mitte März."

O, das ist viel zu spät, Geert, dann ist ja alles fort. Die guten Woh­nungen werden schwerlich aus uns warten!"

Ist schon recht. Aber ich bin erst seit gestern wieder hier und kann doch nicht sagen ,reise morgen'. Das würde mich schlecht kleiden und Paßte mir auch wenig; ich bin froh, daß ich Dich wieder habe."

Nein," sagte sie, während sie das Kaffeegeschirr, um eine aussteigende Verlegenheit zu verbergen, ziemlich geräuschvoll zusammenrückte,nein, so soll's auch nicht sein, nicht heut und nicht morgen, aber doch in den nächsten Tagen.