Effi Briest.
29
und mit ihm reisen, wenn er die Provinzialbehörden inspicirt. Und Du wirst habe. eine Ministerialräthin sein und in Berlin leben, und in einem halben Jahre
Sie, wirst Du kaum noch wissen, daß Du hier in Kessin gewesen bist und nichts
Denn gehabt hast, als Gieshübler und die Dünen und die Plantage."
Und Effi sagte kein Wort, und nur ihre Augen wurden immer größer; um ihre
uiben Mundwinkel war ein nervöses Zucken, und ihr ganzer zarter Körper zitterte.
Mit einem Male aber glitt sie von ihrem Sitze vor Jnnstetten nieder, um- chr?" klammerte seine Kniee und sagte in einem Tone, wie wenn sie betete: „Gott h da- sei Dank!"
ernst Jnnstetten verfärbte sich. Was war das? Etwas, was seit Wochen
nicht, flüchtig, aber doch immer sich erneuernd über ihn kam, war wieder da und sprach so deutlich aus seinem Auge, daß Effi davor erschrak. Sie hatte sich a, ich durch ein schönes Gefühl, das nicht viel 'was Anderes als ein Bekenntniß ihrer Schuld war, Hinreißen lassen und dabei mehr gesagt, als sie sagen durfte. !ensch Sie mußte das wieder ausgleichen, mußte 'was finden, irgend einen Ausweg, es koste, was es wolle.
„Steh' auf Effi. Was hast Du?"
Effi erhob sich rasch. Aber sie nahm ihren Platz auf dem Sopha nicht :auen wieder ein, sondern schob einen Stuhl mit hoher Lehne heran, augenscheinlich,
l Du weil sie nicht Kraft genug fühlte, sich ohne Stütze zu halten,
jetzt „Was hast Du?" wiederholte Jnnstetten. „Ich dachte, Du hättest hier
Äffen glückliche Tage verlebt. Und nun rufst Du „Gott sei Dank", als ob Dir hier Alles nur ein Schreckniß gewesen wäre. War ich Dir ein Schreckniß? Oder men- war es 'was Andres? Sprich."
Zu- „Daß Du noch fragen kannst, Geert," sagte sie, während sie mit einer
kunst äußersten Anstrengung das Zittern ihrer Stimme zu bezwingen suchte. „Glück-
: ein liche Tage! Ja, gewiß, glückliche Tage, aber doch auch andre. Nie bin ich
die Angst hier ganz los geworden, nie. Noch keine vierzehn Tage, daß es Märschen wieder über die Schulter sah, dasselbe Gesicht, derselbe fahle Teint. Und diese
bloß letzten Nächte, wo Du fort warst, war es auch wieder da, nicht das Gesicht,
c die aber es schlurrte wieder, und Rollo schlug wieder an, und Roswitha, die's auch
Keise gehört, kam an mein Bett und setzte sich zu mir, und erst, als es schon
dämmerte, schliefen wir wieder ein. Es ist ein Spukhaus, und ich Hab' es nen? auch glauben sollen, das mit dem Spuk, — denn Du bist ein Erzieher. Ja,
Geert, das bist Du. Aber laß es sein, wie's will, so viel weiß ich, ich habe e ge- mich ein ganzes Jahr lang und länger in diesem Hause gefürchtet, und wenn
der ich von hier fortkomme, so wird es, denk' ich, von mir absallen, und ich werde
wieder frei sein."
noch Jnnstetten hatte kein Auge von ihr gelassen und war jedem Worte ge-
)ann folgt. Was sollte das heißen: „Du bist ein Erzieher?" und dann das Andre, was vorausging: „und ich Hab' es auch glauben sollen, das mit dem Spuk." Was war das Alles? Wo kam das her? Und er fühlte seinen leisen Ärgst in wohn sich wieder regen und fester einnisten. Aber er hatte lange genug gelebt,
wie um zu wissen, daß alle Zeichen trügen und daß wir in unsrer Eifersucht, trotz
ckten ihrer hundert Augen, oft noch mehr in die Irre gehen, als in der Blindheit