Effi Briest.
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von Ihrem Vater mit dem glühenden Eisen und wie er damit auf Sie losgekommen, und jedesmal, wenn ich einen glühenden Bolzen einthue, muß ich auch wirklich immer an Ihren Vater denken, und sehe immer, wie er Sie wegen des Kindes, das ja nun todt ist, todt machen will. Ja, Roswitha, davon sprechen Sie in einem fort, und es fehlt bloß noch, daß Sie Anniechen auch die Geschichte erzählen, und wenn Anniechen eingesegnet wird, dann wird sie's auch gewiß erfahren, und vielleicht denselben Tag noch; und das ärgert mich, daß Sie das Alles erlebt haben, und Ihr Vater war doch bloß ein Dorfschmied und hat Pferde beschlagen oder einen Radreifen gelegt, und nun kommen Sie und verlangen von unserm gnäd'gen Herrn, daß er sich das Alles ruhig gefallen läßt, bloß weil es so lange her ist. Was heißt lange her? Sechs Jahre ist nicht lange her. Und unsre gnäd'ge Frau — die aber nicht wiederkommt, der gnäd'ge Herr hat es mir eben gesagt — unsre gnäd'ge Frau wird erst sechsundzwanzig, und im August ist ihr Geburtstag, und da kommen Sie mir ,mit lange Herd Und wenn sie sechsunddreißig wäre, ich sage Ihnen, bei sechsunddreißig muß man erst recht aufpassen, und wenn der gnäd'ge Herr nichts gethan hätte, dann hätten ihn die vornehmen Leute ,geschnittend Aber das Wort kennen Sie gar nicht, Roswitha, davon wissen Sie nichts."
„Nein, davon weiß ich nichts, will auch nicht; aber das weiß ich, Johanna, daß Sie in den gnäd'gen Herrn verliebt sind."
Johanna schlug eine krampfhafte Lache auf.
„Ja, lachen Sie nur. Ich seh' es schon lange. Sie haben so 'was. Und ein Glück, daß unser gnäd'ger Herr keine Augen dafür hat . . . Die arme Frau, die arme Frau."
Johanna lag daran, Frieden zu schließen. „Lassen Sie's gut sein, Roswitha. Sie haben wieder Ihren Koller; aber ich weiß schon, den haben Alle vom Lande."
„Kann schon sein."
„Ich will jetzt nur die Briefe forttragen und unten sehen, ob der Portier vielleicht schon die andere Zeitung hat. Ich habe doch recht verstanden, daß er Lene danach geschickt hat? Und es muß auch mehr drin stehen; das hier ist ja so gut wie gar nichts."
Dreißigstes Capitel.
Effi und die Geheimräthin Zwicker waren seit fast drei Wochen in Ems und bewohnten daselbst das Erdgeschoß einer reizenden kleinen Villa. In ihrem zwischen ihren zwei Wohnzimmern gelegenen gemeinschaftlichen Salon mit Blick auf den Garten stand ein Polhsanderslügel, auf dem Effi dann und wann eine Sonate, die Zwicker dann und wann einen Walzer spielte; sie war ganz unmusikalisch und beschränkte sich im Wesentlichen darauf, für Niemann als Tannhäuser zu schwärmen.
Es war ein herrlicher Morgen; in dem kleinen Garten zwitscherten die Vögel, und aus dem angrenzenden Hause, drin sich ein „Local" befand, hörte man, trotz der frühen Stunde, bereits das Zusammenschlagen der Billardbälle.