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Deutsche Rundschau.
Beide Damen hatten ihr Frühstück nicht im Salon selbst, sondern aus einem ein Paar Fuß hoch ausgemauerten und mit Kies bestreuten Vorplatz eingenommen, von dem aus drei Stufen nach dem Garten hinunter führten; die Marquise, ihnen zu Häupten, war aufgezogen, um den Genuß der frischen Lust in nichts zu beschränken, und sowohl Efsi wie die Geheimräthin waren ziemlich emsig bei ihrer Handarbeit. Nur dann und wann wurden ein paar Worte gewechselt.
„Ich begreife nicht," sagte Efsi, „daß ich schon seit vier Tagen keinen Brief habe; er schreibt sonst täglich. Ob Annie krank ist? Oder er selbst?"
Die Zwicker lächelte: „Sie werden erfahren, liebe Freundin, daß er gesundist, ganz gesund."
Efsi fühlte sich durch den Ton, in dem dies gesagt wurde, wenig angenehm berührt und schien antworten zu wollen, aber in eben diesem Augenblicke trat das aus der Umgegend von Bonn stammende Hausmädchen, das sich von Jugend an daran gewöhnt hatte, die mannigfachsten Erscheinungen des Lebens an Bonner Studenten und Bonner Husaren zu messen, vom Salon her aus den Vorplatz hinaus, um hier den Frühstückstisch abzuräumen. Sie hieß Afra.
„Afra," sagte Efsi, „es muß doch schon Neun sein; war der Postbote noch nicht da?"
„Nein, noch nicht, gnäd'ge Frau."
„Woran liegt es?"
„Natürlich an dem Postboten; er ist aus dem Siegenschen und hat keinen Schneid. Ich hab's ihm auch schon gesagt, das sei die ,reine LoddereU. Und wie ihm das Haar sitzt; ich glaube, er weiß gar nicht, was ein Scheitel ist."
„Afra, Sie sind 'mal wieder zu streng. Denken Sie doch: Postbote, und so Tag aus Tag ein bei der ewigen Hitze . . ."
„Ist schon recht, gnäd'ge Frau. Aber es gibt doch Andere, die zwingen's ^ wo's drin steckt, da geht es auch." Und während sie noch so sprach, nahm sie das Tablett geschickt auf ihre fünf Fingerspitzen und stieg die Stufen hinunter, um durch den Garten hin den näheren Weg in die Küche zu nehmen.
„Eine hübsche Person," sagte die Zwicker. „Und so quick und kasch, und ich möchte fast sagen von einer natürlichen Anmuth. Wissen Sie, liebe Baronin, daß mich diese Afra . . . übrigens ein wundervoller Name, und es soll sogar eine heilige Afra gegeben haben, aber ich glaube nicht, daß unsere davon abstammt. . ."
„Und nun, liebe Geheimräthin, vertiefen Sie sich wieder in Ihr Nebenthema, das diesmal Afra heißt, und vergessen darüber ganz, was sie eigentlich sagen wollten . . ."
„Doch nicht, liebe Freundin, oder ich finde mich wenigstens wieder zurück. Ich wollte sagen, daß mich diese Afra ganz ungemein an die stattliche Person erinnert, die ich in Ihrem Hause ..."
„Ja, Sie haben Recht. Es ist eine Ähnlichkeit da. Nur unser Berliner Hausmädchen ist doch erheblich hübscher und namentlich ihr Haar viel schöner und voller. Ich habe so schönes slachsenes Haar, wie unsere Johanna hat.