Effr Briest.
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Effi brach nun ab.
Der Kaffee war bald genommen, und man stand aus, um noch einen halbstündigen Spaziergang in den umliegenden Wald zu machen, zunächst aus ein Gehege zu, drin Wild eingezäunt war. Cora öffnete das Gatter, und kaum, daß sie eingetreten, so kamen auch schon die Rehe aus sie zu. Es war eigentlich reizend, ganz wie ein Märchen. Aber die Eitelkeit des jungen Dinges, das sich bewußt war, ein lebendes Bild zu stellen, ließ doch einen reinen Eindruck nicht auskommen, am wenigsten bei Effi. „Nein," sagte sie zu sich selber, „so bin ich doch nicht gewesen. Vielleicht hat es mir auch an Zucht gefehlt, wie diese furchtbare Sidonie mir eben andeutete, vielleicht auch Anderes noch. Man war zu Haus zu gütig gegen mich, man liebte mich zu sehr. Aber das darf ich doch Wohl sagen, ich habe mich nie geziert. Das war immer Hulda's Sache. Darum gefiel sie mir auch nicht, als ich diesen Sommer sie wieder sah."
Auf dem Rückwege vom Walde nach der Oberförsterei begann es zu schneien. Crampas gesellte sich zu Esfi und sprach ihr sein Bedauern aus, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, sie zu begrüßen. Zugleich wies er aus die großen, schweren Schneeflocken, die sielen, und sagte: „Wenn das so weiter geht, so schneien wir hier ein."
„Das wäre nicht das Schlimmste. Mit dem Eingeschneitwerden verbinde ich von langer Zeit her eine freundliche Vorstellung, eine Vorstellung von Schutz und Beistand."
„Das ist mir neu, meine gnädigste Frau."
„Ja," fuhr Esst fort und versuchte zu lachen, „mit den Vorstellungen ist es ein eigen Ding, man macht sie sich nicht bloß nach dem, was man persönlich erfahren hat, auch nach dem, was man irgendwo gehört oder ganz zufällig weiß. Sie sind so belesen, Major, aber mit einem Gedichte — freilich keinem Heine'schen, keinem ,SeegespensU und keinem Mtzliputzlff — bin ich Ihnen, wie mir scheint, doch voraus. Dies Gedicht heißt die ,Gottesmauerb und ich Hab' es bei unserm Hohen - Cremmer Pastor vor vielen, vielen Jahren, als ich noch ganz klein war, auswendig gelernt."
„Gottesmauer," wiederholte Crampas. „Ein hübscher Titel, und wie verhält es sich damit?"
„Eine kleine Geschichte, nur ganz kurz. Da war irgendwo Krieg, ein Winterseldzug, und eine alte Wittwe, die sich vor dem Feinde mächtig fürchtete, betete zu Gott, er möge doch ,eine Mauer um sie bauen', um sie vor dem Landesfeinde zu schützen. Und da ließ Gott das Haus einschneien, und der Feind zog daran vorüber."
Crampas war sichtlich betroffen und wechselte das Gespräch.
Als es dunkelte, waren Alle wieder in der Oberförsterei zurück.
Neunzehntes Capitol.
Gleich nach Sieben ging man zu Tisch, und Alles freute sich, daß der Weihnachtsbaum, eine mit zahllosen Silberkugeln bedeckte Tanne, noch einmal angesteckt wurde. Crampas, der das Ring'sche Haus noch nicht kannte, war