Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Ja, sonst. Aber setzt. . . Denken Sie sich, Johanna, das hier hat mir eben der Portier unten gegeben."

Johanna nahm das Blatt und las nun halblaut eine mit einem dicken Tintenstrich markirte Stelle:Wie wir kurz vor Redactionsschluß von gut unterrichteter Seite her vernehmen, hat gestern srüh in dem Badeorte Kessin, in Hinterpommern, ein Duell zwischen dem Ministerialrath v. I. (Keithstraße) und dem Major v. Crampas stattgefunden. Major v. Crampas siel. Es heißt, daß Beziehungen zwischen ihm und der Räthin, einer schönen und noch sehr jungen Frau, bestanden haben sollen."

Was solche Blätter auch Alles schreiben," sagte Johanna, die verstimmt war, ihre Neuigkeit überholt zu sehen.Ja," sagte Roswitha.Und das lesen nun die Menschen und verschimpfiren mir meine liebe, arme Frau. Und der arme Major. Nun ist er todt"

Ja, Roswitha, was denken Sie sich eigentlich. Söller nicht todt sein? Oder soll lieber unser gnädiger Herr todt sein?"

Nein, Johanna, unser gnäd'ger Herr, der soll auch leben, Alles soll leben. Ich bin nicht für Todtschießen und kann nicht 'mal das Knallen hören. Aber bedenken Sie doch, Johanna, das ist ja nun schon eine halbe Ewigkeit her, und die Briefe, die mir gleich so sonderbar aussahen, weil sie die rothe Strippe hatten und drei- oder viermal umgewickelt und dann eingeknotet und keine Schleife die sahen ja schon ganz gelb aus, so lange ist es her. Wir sind ja nun schon über sechs Jahre hier, und wie kann man wegen solcher alten Geschichten . . ."

Ach, Roswitha, Sie reden, wie Sie's verstehen. Und bei Lichte besehen, sind Sie schuld. Von den Briefen kommt es her. Warum kamen Sie mit dem Stemmeisen und brachen den Nähtisch auf, was man nie darf; man darf kein Schloß aufbrechen, was ein Anderer zugeschlossen hat."

Aber, Johanna, das ist doch wirklich zu schlecht von Ihnen, mir so 'was aus den Kopf zuzusagen, und Sie wissen doch, daß Sie schuld sind und daß Sie wie närrisch in die Küche stürzten und mir sagten, der Nähtisch müsse aufgemacht werden, da wäre die Bandage drin, und da bin ich mit dem Stemmeisen gekommen, und nun soll ich schuld sein. Nein, ich sage . . ."

Nun, ich will es nicht gesagt haben, Roswitha. Nur Sie sollen mir nicht kommen und sagen: der arme Major. Was heißt der arme Major! Der ganze arme Major taugte nichts; wer solchen rothblonden Schnurrbart hat und immer wribbelt, der taugt nie 'was und richtet bloß Schaden an. Und wenn man immer in vornehmen Häusern gedient hat. . . aber das haben Sie nicht, Roswitha, das fehlt Ihnen eben . . . dann weiß man auch, was sich paßt und schickt und was Ehre ist, und weiß auch, daß, wenn so 'was vorkommt, dann geht es nicht anders, dann kommt das, was man eine For­derung nennt, und dann wird Einer todtgeschossen."

Ach, das weiß ich auch; ich bin nicht so dumm, wie Sie mich immer machen wollen. Aber wenn es so lange her ist . . ."

Ja, Roswitha, mit Ihrem ewigen ,so lange her'; daran sieht man ja eben, daß Sie nichts davon verstehen. Sie erzählen immer die alte Geschichte