Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

leicht auch schon mal erzählt habe, beinahe WLr' ich wirklich 'rüber nach Wisby gekommen. Denken Sie sich, beinahe nach Wisby. Es ist komisch, aber ich kann eigentlich von vielem in meinem Leben sagen cheinalfi."

Schade, schade," sagte Jahnke.

Ja, freilich schade. Aber aus Rügen bin ich wirklich umhergefahren. Und das wäre so was für Sie gewesen, Jahnke. Denken Sie sich, Arkona mit einem großen Wenden-Lagerplatz, der noch sichtbar sein soll; denn ich bin nicht hingekommen; aber nicht allzu weit davon ist der Hertha-See mit Weißen und gelben Mummeln. Ich habe da viel an Ihre Hertha denken müssen..."

Nnn, ja ja, Hertha . . . Aber Sie wollten von dem Hertha-See sprechen . . ."

Ja, das wollt' ich . . . Und denken Sie sich, Jahnke, dicht an dem See standen zwei große Opfersteine, blank und noch die Rinnen drin, in denen vordem das Blut ablief. Ich habe von der Zeit an einen Widerwillen gegen die Wenden."

Ach, gnäd'ge Frau, verzeihen. Aber das waren ja keine Wenden. Das mit den Opfersteinen und mit dem Hertha-See, das war ja schon wieder viel, viel früher, ganz vor Obristnm natum; reine Germanen, von denen wir alle abstammen ..."

Versteht sich," lachte Esst,von denen wir alle abstammen, die Jahnke's gewiß und vielleicht auch die Briest's."

Und dann ließ sie Rügen und den Hertha-See fallen und fragte nach seinen Enkeln und welche ihm lieber wären, die von Bertha oder die von Hertha.

Ja, Effi stand gut zu Jahnke. Aber trotz seiner intimen Stellung zu Hertha-See, Scandinavien und Wisby, war er doch nur ein einfacher Mann, und so konnte es nicht Wohl ausbleiben, daß der vereinsamten jungen Frau die Plaudereien mit Niemeyer um Vieles lieber waren. Im Herbst, so lange sich im Parke promenieren ließ, hatte sie denn auch die Hülle und Fülle davon; mit dem Eintreten des Winters aber kam eine mehrmonatliche Unter­brechung, weil sie das Predigerhaus selbst nicht gern betrat; Frau Pastor Niemeyer war immer eine sehr unangenehme Frau gewesen und schlug jetzt vollends hohe Töne an, trotzdem sie, nach Ansicht der Gemeinde, selber nicht ganz einwandsfrei war.

Das ging so den ganzen Winter durch, sehr zu Effi's Leidwesen. Als dann aber, Anfang April, die Sträucher einer: grünen Rand zeigten und die Parkwege rasch abtrockneten, da wurden auch die Spaziergänge wieder aus­genommen.

Einmal gingen sie auch so. Von fern her hörte man den Kuckuck, und Effi zählte, wie viele Male er rief. Sie hatte sich an Niemeyer's Arm ge­hängt und sagte:Ja, da ruft der Kuckuck. Ich mag ihn nicht befragen. Sagen Sie, Freund, was halten Sie vom Leben?"

Ach, liebe Effi, mit solchen Doctorfragen darfst Du mir nicht kommen. Da mußt Du Dich an einen Philosophen wenden oder ein Ausschreiben an eine Facultät machen. Was ich vom Leben halte? Viel und wenig. Mit­unter ist es recht viel und mitunter ist es recht wenig."