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Artigkeitsverbeugungen vorzuspielen, was sie, bei dem ihr eigenen Nachahmungstalent, sehr gut konnte, trotzdem aber ungern that, weil sie's allemal als ein Unrecht gegen den guten und lieben Menschen empsand. — Von Jnnstetten und Annie war nie die Rede, wiewohl seststand, daß Annie Erbtochter sei, und Hohen-Cremmen ihr zufallen würde.
Ja, Effi lebte wieder aus, und die Mama, die, nach Franenart, nicht ganz abgeneigt war, die ganze Sache, so schmerzlich sie blieb, als einen interessanten Fall anzusehen, wetteiferte mit ihrem Manne in Liebes- und Aufmerksamkeitsbezeugungen.
„Solchen guten Winter haben wir lange nicht gehabt," sagte Briest. Und dann erhob sich Effi von ihrem Platz und streichelte ihm das spärliche Haar aus der Stirn. Aber so schön das Alles war, aus Effi's Gesundheit hin angesehen, war es doch Alles nur Schein, in Wahrheit ging die Krankheit weiter und zehrte still das Leben auf. Wenn Effi — die wieder, wie damals an ihrem Verlobungstage mit Jnnstetten, ein blau und weißgestreiftes Kittelkleid mit einem losen Gürtel trug — rasch und elastisch aus die Eltern zutrat, um ihnen einen guten Morgen zu bieten, so sahen sich diese freudig verwundert an, freudig verwundert, aber doch auch wehmüthig, weil ihnen nicht entgehen konnte, daß es nicht die Helle Jugend, sondern eine Verklärtheit war, was der schlanken Erscheinung und den leuchtenden Augen diesen eigenthümlichen Ausdruck gab. Alle, die schärfer zusahen, sahen dies, nur Effi selbst sah es nicht und lebte ganz dem Glücksgefühle, wieder an dieser für sie so freundlich friedreichen Stelle zu sein, in Versöhnung mit denen, die sie immer geliebt hatte und von denen sie immer geliebt worden war, auch in den Jahren ihres Elends und ihrer Verbannung.
Sie beschäftigte sich mit allerlei Wirtschaftlichem und sorgte für Ausschmückung und kleine Verbesserungen im Haushalt. Ihr Sinn für das Schöne ließ sie darin immer das Richtige treffen. Lesen aber und vor Allem die Beschäftigung mit den Künsten hatte sie ganz aufgegeben. „Ich habe davon so viel gehabt, daß ich froh bin, die Hände in den Schoß legen zu können." Es erinnerte sie auch Wohl zu sehr an ihre traurigen Tage. Sie bildete statt dessen die Kunst aus, still und entzückt auf die Natur zu blicken, und wenn das Laub von den Platanen siel, wenn die Sonnenstrahlen auf dem Eis des kleinen Teiches blitzten oder die ersten Crocus aus dem noch halb winterlichen Rondel aufblühten, — das that ihr Wohl, und aus all das konnte sie stundenlang blicken und dabei vergessen, was ihr das Leben versagt, oder richtiger Wohl, um was sie sich selbst gebracht hatte.
Besuch blieb nicht ganz aus, nicht alle stellten sich gegen sie; ihren Hauptverkehr aber hatte sie doch in Schulhaus und Pfarre.
Daß im Schulhaus die Töchter ausgeslogen waren, schadete nicht viel, es würde nicht mehr so recht gegangen sein; aber zu Jahnke selbst — der nicht bloß ganz Schwedisch-Pommern, sondern auch die Kessiner Gegend als scandi- navisches Vorland ansah und beständig daraus bezügliche Fragen stellte —, zu diesem alten Freunde stand sie besser denn je. „Ja, Jahnke, wir hatten ein Dampfschiff, und wie ich Ihnen, glaub' ich, schon einmal schrieb oder viel-