Effl Briest.
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In diesem Augenblicke kam ein englisches Roastbeef, von dem Sidonie ziemlich ausgiebig nahm, ohne Lindequist's Lächeln dabei zu bemerken. Und weil sie's nicht bemerkte, so durfte es auch nicht Wunder nehmen, daß sie mit vieler Unbefangenheit fortsuhr: „Es kann übrigens Alles, was Sie hier sehen, nicht Wohl anders sein; Alles ist schief und verfahren von Anfang an. Ring, Ring — wenn ich nicht irre, hat es drüben in Schweden oder da herum 'mal einen Sagenkönig dieses Namens gegeben. Nun sehen Sie, benimmt er sich nicht, als ob er von dem abstamme, und seine Mutter, die ich noch gekannt habe, war eine Plättfrau in Cöslin."
„Ich kann darin nichts Schlimmes finden."
„Schlimmes finden? Ich auch nicht. Und jedenfalls gibt es Schlimmeres. Aber so viel muß ich doch von Ihnen, als einem geweihten Diener der Kirche, gewärtigen dürfen, daß Sie die gesellschaftlichen Ordnungen Gottes gelten lassen. Ein Oberförster ist ein bißchen mehr als ein Förster, und ein Förster hat nicht solche Weinkühler und solch' Silberzeug; das alles ist ungehörig und zieht dann solche Kinder groß, wie dies Fräulein Cora."
Sidonie, jedesmal bereit, irgend 'was Schreckliches zu prophezeien, wenn sie, vom Geist überkommen, die Schalen ihres Zorns ausschüttete, würde sich auch heute bis zum Kassandrablick in die Zukunft gesteigert haben, wenn nicht in eben diesem Augenblicke die dampfende Punschbowle — womit die Weihnachts- rsunions bei Ring immer abschlossen — auf der Tafel erschienen wäre, dazu Krausgebackenes, das, geschickt über einander gethürmt, noch weit über die vor einigen Stunden aufgetragene Kasfeekuchenphramide hinauswuchs. Und nun trat auch Ring selbst, der sich bis dahin etwas zurückgehalten hatte, mit einer gewissen strahlenden Feierlichkeit in Action und begann die vor ihm stehenden Gläser, große geschlissene Römer, in virtuosem Bogensturz zu füllen, ein Ein- schenkekunststück, das die stets schlagfertige Frau von Padden, die heute leider fehlte, 'mal als „Ring'sche Füllung an easeaäe" bezeichnet hatte. Rothgolden wölbte sich dabei der Strahl, und kein Tropfen durfte verloren gehen. So war es auch heute wieder. Zuletzt aber, als Jeder, was ihm znkam, in Händen hielt — auch Cora, die sich mittlerweile mit ihrem rothblonden Wellenhaar aus „Onkel Crampas'" Schoß gesetzt hatte — erhob sich der alte Papenhagner, um, wie herkömmlich bei Festlichkeiten derart, einen Toast aus seinen lieben Oberförster auszubringen. Es gäbe viele Ringe, so etwa begann er, Jahresringe, Gardinenringe, Trauringe, und was nun gar — denn auch davon dürfe sich am Ende Wohl sprechen lassen — die Verlobungsringe angehe, so sei glücklicherweise die Gewähr gegeben, daß einer davon in kürzester Frist in diesem Hanse sichtbar werden und den Ringfinger (und zwar hier in einem doppelten Sinne den Ringfinger) eines kleinen hübschen Pätschelchens zieren werde . .."
„Unerhört," raunte Sidonie dem Pastor zu.
„Ja, meine Freunde," fuhr Güldenklee mit gehobener Stimme fort, „viele Ringe gibt es, und es gibt sogar eine Geschichte, die wir alle kennen, die die Geschichte von den -drei Ringew heißt, eine Judengeschichte, die, wie der ganze liberale Krimskrams, nichts wie Verwirrung und Unheil gestiftet hat und noch stiftet. Gott bessere es. Und nun lassen Sie mich schließen, um Ihre