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Deutsche Rundschau.
Roswitha, die Flasche mit dem Lack in der Hand, kam denn auch ein paar Minuten danach auf den Hof hinaus und stellte sich neben das Sielenzeug, das Kruse eben über den Gartenzaun gelegt hatte. „Gott," sagte er, während er ihr die Flasche aus der Hand nahm, „viel hilft es ja nicht, es nieselt in einem weg, und die Blänke vergeht doch wieder. Aber ich denke. Alles muß seine Ordnung haben."
„Das muß es. Und dann, Kruse, es ist ja doch auch ein richtiger Lack, das kann ich gleich seh'n, und was ein richtiger Lack ist, der klebt nicht lange, der muß gleich trocknen. Und wenn es dann morgen nebelt oder naß fällt, dann schadet es nich' mehr. Aber das muß ich doch sagen, das mit dem Chinesen is eine merkwürdige Geschichte."
Kruse lachte. „Unsinn is es, Roswitha. Und meine Frau, statt aufs Richtige zu sehen, erzählt immer so 'was, un' wenn ich ein reines Hemd an- ziehen will, fehlt ein Knopp. Un' so is es nu' schon, so lange wir hier sind. Sie hat immer bloß solche Geschichten in ihrem Kopp und dazu das schwarze Huhn. Un' das schwarze Huhn legt nich' 'mal Eier. Un' am Ende wovon soll es auch Eier legen? es kommt ja nich' 'raus und von's bloße Kikeriki kann doch so 'was nich' kommen. Das is von keinem Huhn nich' zu verlangen."
„Hören Sie, Kruse, das werde ich Ihrer Frau wieder erzählen. Ich habe Sie immer für einen anständigen Menschen gehalten, und nun sagen Sie so 'was wie das da von Kikeriki. Die Mannsleute sind doch immer noch schlimmer als man denkt. Un' eigentlich müßt' ich nu' gleich den Pinsel hier nehmen und Ihnen einen schwarzen Schnurrbart anmalen."
„Nu' von Ihnen, Roswitha, kann man sich das schon gefallen lassen," und Kruse, der meist den Würdigen spielte, schien in einen mehr und mehr schäkrigen Ton übergehen zu wollen, als er der gnädigen Frau ansichtig wurde, die heute von der anderen Seite der Plantage herkam und in eben diesem Augenblicke den Gartenzaun passirte.
„Guten Tag, Roswitha, Du bist ja so ausgelassen. Was macht denn Annie?"
„Sie schläft, gnäd'ge Frau."
Aber Roswitha, als sie das sagte, war doch roth geworden und ging, rasch abbrechend, auf das Haus zu, um der gnädigen Frau beim Umkleiden behülflich zu sein. Denn ob Johanna da war, das war die Frage. Die steckte jetzt viel auf dem „Amt" drüben, weil es zu Haus weniger zu thun gab und Friedrich und Kriftel waren ihr zu langweilig und wußten nie 'was.
Annie schlief noch. Effi beugte sich über die Wiege, ließ sich dann Hut und Regenmantel abnehmen und setzte sich aus das kleine Sopha in ihrer Schlafstube. Das feuchte Haar strich sie langsam zurück, legte die Füße auf einen niedrigen Stuhl, den Roswitha heran geschoben, und sagte, während sie sichtlich das Ruhebehagen nach einem ziemlich langen Spaziergange genoß: „Ich muß Dich darauf aufmerksam machen, Roswitha, daß Kruse verheiratet ist."
„Ich weiß, gnäd'ge Frau."