Literarische Rundschau.
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sie mit einem Gute thun sollen, das sie sich nicht selbst erworben haben. Die große Mehrzahl der Bevölkerung, und zwar nicht allein die indianische, sondern auch die weiße, würde wahrscheinlich mit Freuden auf das Recht der Selbstregierung Verzicht leisten, wenn ihnen dagegen die Aussicht geboten würde, unter dem gerechten, wenn auch strengen Sechter eines Monarchen in Frieden zu leben."
Es ist lehrreich, zu hören, daß schon die Männer, welchen Peru seine 11n- 'abhängigkeit verdankte, San Martin und Bolivar, monarchische Einrichtungen für die von Spanien losgerissenen Colonialländer, besonders für Peru, als die geeignete Staatssorm ansahen; daß aber in den Anschauungen dieser beiden Männer bereits der Zwiespalt hervorbrach, welcher die kommenden endlosen Wirren ankündigte. San Martin wollte ein unabhängiges Königreich unter einem europäischen Prinzen, womöglich des spanifch-bourbonischen Hauses, in Peru errichten. Bolivar war entschieden dagegen — sein Ziel war eine demokratisch-monarchische Gewalt in seinen eigenen Händen, eine unverantwortliche lebenslängliche Präsidentschaft. Die Erfahrungen, die Bolivar in Peru und den anderen neuen Republiken des spanischen Amerika alsbald machte, leiteten die politischen Schicksale ein, welche jene Länder seitdem bis zum heutigen Tage bewegt haben. Es hat in Peru überhaupt unreinen einzigen Präsidenten gegeben — Manuel Pardo (1872—1876) — welcher nach dem Wortlaut der Verfassung vier Jahre regiert und alsdann die Regierung friedlich seinem Nachfolger übergeben hat.
Den Zustand der Armee beleuchtet eine Denkschrift des Kriegsministers (dem Eongresse von 1870 vorgelegt), nach welcher es 2668 Ofsiciere (darunter 1 Marschall, 30 Generale, 544 Obersten) bei 4171 Mannschaften gab.
Von der Rechtspflege sagt ein einheimischer Jurist: „Die Notwendigkeit, einen Proceß zu führen, ist eine der größten Calamitäten. Zu der schleppenden Proceß- führung kommt die Unerfahrenheit oder Schwäche des Richters, die Faulheit, Beschränktheit und Unzuverlässigkeit des Schreibers, und, was noch schlimmer ist, Bestechung und Beeinflussung verdrehen die Gerechtigkeit und rauben den Sieg Demjenigen, der zwar Recht hatte, aber nicht die Mittel, es zur Geltung zu bringen. Die Mehrzahl der Verbrechen, die in Lima begangen werden, bleibt unbemerkt." Das war im Jahre 1866 geschrieben; seitdem hat sich Einiges, aber nicht Vieles gebessert. Man hat jetzt eine Strafanstalt gebaut, in der die Verbrecher ausbewahrt werden können. Aber die Strenge des Gesetzes trifft nur das niedere Volk; den besseren Ständen gegenüber wallen Rücksichten, die sie vor der Strafe beschützen.
Vom Unterrichtswesen meint der Verfasser, zu Zeiten der so viel getadelten spanischen Herrschaft Hütten die Lehranstalten der Stadt, dank den Bemühungen der Jesuiten, mehr geleistet als in der Gegenwart. Nach der Aufhebung des Ordens und der Ausweisung seiner Mitglieder habe der Verfall der Schulen begonnen.
Der zweite Band hat lverschieden von dem ersten) ein überwiegend archäologisches Interesse. Die Angelegenheiten der Gegenwart spielen freilich auch in die Erzählung dieses Bandes mit hinein — so wird der Ursprung und die Entwicklung der Guanogewinnung und des Gnanoexports in ausführlicher Weise dargelegt. Aber weit überwiegend sind es Wanderungen des Herrn Verfassers, welche der Aufsuchung und Beschreibung der Alterthümer gelten, die in dem heutigen Lande Peru durch die Zerstörung der Jahrhunderte übrig gelassen sind von jenen Zeiten her, die vor die europäische Eroberung zurückreichen. Hierbei betont der Verfasser, daß zwar die Jncas das mächtigste und am besten organisirte Kulturvolk Südamerika's waren, jedoch keineswegs das einzige, noch das älteste derselben. Gleichzeitig und vor den Jncas, sowohl an der Küste wie auch im Hochlande, hatten andere Rassen einen gleichen, vielleicht in mancher Hinsicht höheren Bildungsgrad erreicht. Was sehr viel bedeuten will, da bekanntlich die Kultur der Jncas zur Zeit der Konquistadoren selber eine merkwürdig hohe war, wie das namentlich in dem classischen Werke von Prescott (Oonguest ok körn) gründlich und anziehend geschildert ist.