Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

freue, Ihnen vorstellen zu können. Denn ich darf doch Wohl hoffen, daß Sie auch in Zukunft sich meiner annehmen werden."

Er verbeugte sich.

Die neue Wohnung," fuhr sie fort,ein Neubau, macht mir freilich Sorge. Glauben Sie, Herr Geheimrath, daß die feuchten Wände ..."

Nicht im Geringsten, meine gnädigste Frau. Lassen Sie drei, vier Tage lang tüchtig Heizen und immer Thüren und Fenster auf, da können Sie's Wagen, auf meine Verantwortung. Und mit Ihrer Neuralgie, das war nicht von solcher Bedeutung. Aber ich freue mich Ihrer Vorsicht, die mir Gelegenheit gegeben hat, eine alte Bekanntschaft zu erneuern und eine neue zu machen."

Er wiederholte feine Verbeugung, sah noch Annie freundlich in die Augen und verabschiedete sich unter Empfehlungen an die Mama.

Kaum daß er fort war, so setzte sich Esfi an den Schreibtisch und schrieb: Lieber Jnnstetten! Eben war Rummschüttel hier und hat mich aus der Kur entlassen. Ich könnte nun reisen, morgen etwa; aber heut' ist schon der 24., und am 28. willst Du hier eintreffen. Angegriffen bin ich ohnehin noch. Ich denke. Du wirst einverstanden sein, wenn ich die Reise ganz aufgebe. Die Sachen sind ja ohnehin schon unterwegs, und wir würden, wenn ich käme, in Hoppensack's Hotel wie Fremde leben müssen. Auch der Kostenpunkt ist in Betracht zu ziehen, die Ausgaben werden sich ohnehin häufen; unter Anderem ist Rummschüttel zu honoriren, wenn er uns auch als Arzt verbleibt. Uebrigens ein sehr liebenswürdiger alter Herr. Er gilt ärztlich nicht für ersten Ranges, ,Damendoctor' sagen seine Gegner und Neider. Aber dies Wort umschließt doch auch ein Lob; es kann eben nicht Jeder mit uns umgehen. Daß ich von den Kessinern nicht persönlich Abschied nehme, hat nicht viel auf sich. Bei Gieshübler war ich. Die Frau Majorin hat sich immer ablehnend gegen mich verhalten, ablehnend bis zur Unart; bleibt nur noch der Pastor und vr. Hannemann und Crampas. Empfiehl mich Letzterem. An die Familien aus dem Lande schicke ich Karten; Güldenklee's, wie Du mir schreibst, sind in Italien (was sie da wollen, weiß ich nicht) und so bleiben nur die drei Anderen. Entschuldige mich, so gut es geht. Du bist ja der Mann der Formen und weißt das richtige Wort zu treffen. An Frau v. Padden, die mir am Shlvesterabend so außerordentlich gut gefiel, schreibe ich vielleicht selber noch und spreche ihr mein Bedauern aus. Laß mich in einem Tele­gramm wissen, ob Du mit Allem einverstanden bist. Wie immer Deine Esst."

Esst brachte selber den Brief zur Post, als ob sie dadurch die Antwort beschleunigen könne, und am nächsten Vormittage traf denn auch das erbetene Telegramm von Jnnstetten ein:Einverstanden mit Allem." Ihr Herz jubelte, sie eilte hinunter und auf den nächsten Droschkenstand zu.Keithstraße 1e." Und erst die Linden und dann die Thiergartenstraße hinunter flog die Droschke, und nun hielt sie vor der neuen Wohnung.

Oben standen die den Tag vorher eingetroffenen Sachen noch bunt durch­einander, aber es störte sie nicht, und als sie auf den breiten aufgemauerten