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Deutsche Rundschau.
„Ah, sehr artig."
„Und der Pastor will Dir desgleichen empfohlen sein; nur die Herrschaften aus dem Lande waren ziemlich nüchtern und schienen auch mich für Deinen Abschied ohne Abschied verantwortlich machen zu wollen. Unsere Freundin Sidonie war sogar spitz, und nur die gute Frau von Padden, zu der ich eigens vorgestern noch hinüberfuhr, freute sich aufrichtig über Deinen Gruß und Deine Liebeserklärung an sie. ,Du seist eine reizende Frau/ sagte sie, ,aber ich sollte Dich gut hüten/ Und als ich ihr erwiderte: ,Du fändest schon, daß ich mehr ein ,Erzieher' als ein Ehemann sei/ sagte sie halblaut und beinahe wie abwesend: ,Ein junges Lämmchen weiß wie Schnee/ Und dann brach sie ab."
Vetter Briest lachte. „,Ein junges Lämmchen weiß wie Schnee .. / Da hörst Du's, Cousine." Und er wollte sie zu necken sortfahren, gab es aber auf, als er sah, daß sie sich verfärbte.
Das Gespräch, das meist zurückliegende Verhältnisse berührte, spann sich noch eine Weile weiter, und Effi erfuhr zuletzt aus diesem und jenem, was Jnnstetten mittheilte, daß sich von dem ganzen Kessiner Hausstande nur Johanna bereit erklärt habe, die Uebersiedlung nach Berlin mitzumachen. Sie sei natürlich noch zurückgeblieben, werde aber in zwei, drei Tagen mit dem Rest der Sachen eintreffen; er sei froh über ihren Entschluß, denn sie sei immer die brauchbarste gewesen und von einem ausgesprochen großstädtischen Chic. Vielleicht ein bißchen zu sehr. Kriftel und Friedrich hätten sich beide für zu alt erklärt, und mit Kruse zu verhandeln, habe sich von vornherein verboten. „Was soll uns ein Kutscher hier?" schloß Jnnstetten, „Pferd und Wagen, das sind tempi xa88ati, mit diesem Luxus ist es in Berlin vorbei. Nicht einmal das schwarze Huhn hätten wir unterbringen können. Oder unterschätz' ich die Wohnung?"
Effi schüttelte den Kopf, und als eine kleine Pause eintrat, erhob sich die Mama: es sei bald Elf, und sie habe noch einen weiten Weg, übrigens solle sie Niemand begleiten, der Droschkenstand sei ja nah — ein Ansinnen, das Vetter Briest natürlich ablehnte. Bald danach trennte man sich, nachdem noch Rendez-vous für den anderen Vormittag verabredet war.
Effi war ziemlich früh aus und hatte — die Luft war beinahe sommerlich warm — den Kasseetisch bis nahe an die geöffnete Balkonthür rücken lassen, und als Jnnstetten nun auch erschien, trat sie mit ihm aus den Balkon hinaus und sagte: „Nun, was sagst Du? Du wolltest den Finkenschlag aus dem Thiergarten hören und die Papageien aus dem zoologischen. Ich weiß nicht, ob beide Dir den Gefallen thun werden, aber möglich ist es. Hörst Du Wohl? Das kam von drüben, drüben aus dem kleinen Park. Es ist nicht der eigentliche Thiergarten, aber doch beinah'."
Jnnstetten war entzückt und von einer Dankbarkeit, als ob Effi ihm das Alles persönlich herangezaubert habe. Dann setzten sie sich, und nun kam auch Annie. Roswitha verlangte, daß Jnnstetten eine große Veränderung an dem Kinde finden solle, was er denn auch schließlich that. Und dann plauderten sie weiter, abwechselnd über die Kessiner und die in Berlin zu machenden