Heft 
(1894) 82
Seite
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Effi Briest.

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Visiten, und ganz zuletzt auch über eine Sommerreise. Mitten im Gespräch aber

mußten sie abbrechen, um rechtzeitig beim Rendez-vous erscheinen zu können.

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Man traf sich, wie verabredet, bei Helms, gegenüber dem rothen Schloß, besuchte verschiedene Läden, bei Hiller und war bei guter Zeit wieder zu Haus. Es war ein gelungenes Beisammensein gewesen, Jnnstetten herzlich froh, das großstädtische Leben wieder mitmachen und auf sich wirken lassen zu können. Tags darauf, am 1. April, begab er sich in das Kanzlerpalais, um sich einzuschreiben (eine persönliche Gratulation unterließ er aus Rücksicht), und ging dann aufs Ministerium, um sich da zu melden. Er wurde auch an­genommen, trotzdem es ein geschäftlich und gesellschaftlich sehr unruhiger Tag war, ja, sah sich seitens seines Chefs durch besonders entgegenkommende Liebens­würdigkeit ausgezeichnet.Er wisse, was er an ihm habe und sei sicher, ihr Einvernehmen nie gestört zu sehen."

Auch im Hause gestaltete sich Alles zum Guten. Ein aufrichtiges Be­dauern war es für Esfi, die Mama, nachdem diese, wie gleich anfänglich ver- muthet, fast sechs Wochen lang in Kur gewesen, nach Hohen-Cremmen zurück­kehren zu sehen, ein Bedauern, das nur dadurch einigermaßen gemildert wurde, daß sich Johanna denselben Tag noch in Berlin einstellte. Das war immer­hin 'was, und wenn die hübsche Blondine dem Herzen Efsi's auch nicht ganz so nahe stand wie die ganz selbstsuchtslose und unendlich gntmüthige Ros­witha, so war sie doch gleichmäßig angesehen, ebenso bei Jnnstetten wie bei ihrer jungen Herrin, weil sie sehr geschickt und brauchbar und der Männer­welt gegenüber von einer ausgesprochenen und selbstbewußten Reservirtheit war. Einem Kessiner on äit zu Folge ließen sich die Wurzeln ihrer Existenz aus eine längst pensionirte Größe der Garnison Pasewalk zurücksühren, woraus man sich auch ihre vornehme Gesinnung, ihr schönes blondes Haar und die besondere Plastik ihrer Gesammterscheinung erklären wollte. Johanna selbst theilte die Freude, die man allerseits über ihr Eintreffen empfand, und war durchaus einverstanden damit, als Hausmädchen und Jungfer, ganz wie früher, den Dienst bei Effi zu übernehmen, während Roswitha, die der Kriftel in bei­nahe Jahresfrist ihre Kochkünste so ziemlich abgelernt hatte, dem Küchen­departement vorstehen sollte. Annie's Abwartung und Pflege fiel Esst selber zu, worüber Roswitha freilich lachte. Denn sie kannte die jungen Frauen.

Jnnstetten lebte ganz seinem Dienst und seinem Haus. Er war glücklicher als vordem in Kessin, weil ihm nicht entging, daß Effi sich unbefangener und heiterer gab. Und das konnte sie, weil sie sich freier fühlte. Wohl blickte das Vergangene noch in ihr Leben hinein, aber es ängstigte sie nicht mehr, oder doch um Vieles seltener und vorübergehender, und Alles, was davon noch in ihr nachzitterte, gab ihrer Haltung einen eigenen Reiz. In Jeglichem, was sie that, lag etwas Wehmüthiges, wie eine Abbitte, und es hätte sie glücklich gemacht, dies Alles noch deutlicher zeigen zu können. Aber das verbot sich freilich.

Das gesellschaftliche Leben der großen Stadt war, als sie während der ersten Aprilwochen ihre Besuche machten, noch nicht vorüber, Wohl aber im