Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Erlöschen, und so kam es für sie zu keiner rechten Theilnahme mehr daran. In der zweiten Hälfte des Mai starb es dann ganz hin, und mehr noch als vorher war man glücklich, sich in der Mittagsstunde, wenn Jnnstetten von seinem Ministerium kam, im Thiergarten treffen oder Nachmittags einen Spaziergang nach dem Charlottenburger Schloßgarten machen zu können. Esst sah sich, wenn sie die lange Front zwischen dem Schloß und den Orangerie­bäumen aus und ab schritt, immer wieder die massenhaft dort stehenden römischen Kaiser an, fand eine merkwürdige Ähnlichkeit zwischen Nero und Titus, sammelte Tannenäpfel, die von den Trauertannen gefallen waren, und ging dann, Arm in Arm mit ihrem Manne, bis aus das nach der Spree hin einsam gelegeneBelvedere" zu.

Da drin soll es auch einmal gespukt haben," sagte sie.

Nein, bloß Geistererscheinungen."

Das ist dasselbe."

Ja, zuweilen," sagte Jnnstetten.Aber eigentlich ist doch ein Unter­schied. Geistererscheinungen werden immer gemacht wenigstens soll es hier in dem ,Belvedere' so gewesen sein, wie mir Vetter Briest erst gestern noch erzählte Spuk aber wird nie gemacht, Spuk ist natürlich."

Also glaubst Du doch dran?"

Gewiß glaub' ich dran. Es gibt so 'was. Nur an das, was wir in Kessin davon hatten, glaub' ich nicht recht. Hat Dir denn Johanna schon ihren Chinesen gezeigt?"

Welchen?"

Nun, unfern. Sie hat ihn, eh' sie unser altes Haus verließ, oben von der Stuhllehne abgelöst und ihn ins Portemonnaie gelegt. Als ich mir neulich ein Markstück bei ihr wechselte, Hab' ich ihn gesehen. Und sie hat es mir auch verlegen bestätigt."

Ach, Geert, das hättest Du mir nicht sagen sollen. Nun ist doch wieder so 'was in unserm Hause."

Sag' ihr, daß sie ihn verbrennt."

Nein, das mag ich auch nicht, und das hilft auch nichts. Aber ich will Roswitha bitten . . ."

Um was? Ah, ich verstehe schon, ich ahne, was Du vorhast. Die soll ein Heiligenbild kaufen und es dann auch ins Portemonnaie thun. Ist es so 'was?"

Effi nickte.

Nun, thu' was Du willst. Aber sag' es Niemandem."

Esfi meinte dann schließlich, es lieber doch lassen zu wollen, und unter allerhand kleinem Geplauder, in welchem die Reisepläne für den Sommer mehr und mehr Platz gewannen, fuhren sie bis an den großen Stern zurück und gingen dann durch die Corso-Allee und die breite Friedrich-Wilhelmsstraße auf ihre Wohnung zu.

Sie hatten vor, schon Ende Juli Urlaub zu nehmen und ins bayerische Gebirge zu gehen, wo gerade in diesem Jahre wieder die Oberammergauer