Effi Briest.
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Die Hohen - Cremmener kamen dann und wann auf Besuch und freuten sich des Glücks der Kinder, Annie wuchs heran — „schön wie die Großmutter," sagte der alte Briest — und wenn es an dem klaren Himmel eine Wolke gab, so war es die, daß es, Wie man nun beinahe annehmen mußte, bei Klein- Annie sein Bewenden haben werde; Haus Jnnstetten (denn es gab nicht einmal Namensvettern) stand also muthmaßlich auf dem Aussterbeetat. Briest, der den Fortbestand anderer Familien obenhin behandelte, weil er eigentlich nur an die Briest's glaubte, scherzte mitunter darüber und sagte: „Ja, Jnnstetten, wenn das so weiter geht, so wird Annie seiner Zeit Wohl einen Banquier heirathen (hoffentlich einen christlichen, wenn's deren dann noch gibt) und mit Rücksicht auf das alte sreiherrliche Geschlecht der Jnnstetten wird dann Seine Majestät Annie's Hanks ünanes-Kinder unter dem Namen ,von der Jnnstetten' im Gothaischen Kalender, oder was weniger wichtig ist, in der preußischen Geschichte fortleben lassen" — Ausführungen, die von Jnnstetten selbst immer mit einer kleinen Verlegenheit, von Frau von Briest mit Achselzucken, von Effi dagegen mit Heiterkeit ausgenommen wurden. Denn so adels- stolz sie war, so war sie's doch nur für ihre Person, und ein eleganter und welterfahrener und vor Allem sehr, sehr reicher Banquierschwiegersohn wäre durchaus nicht gegen ihre Wünsche gewesen.
Ja, Effi nahm die Erbfolgefrage leicht, wie junge, reizende Frauen das thun; als aber eine lange, lange Zeit — sie waren schon im siebenten Jahre in ihrer neuen Stellung — vergangen war, wurde der alte Rummschüttel, der aus dem Gebiete der Gynäkologie nicht ganz ohne Ruf war, durch Frau von Briest doch schließlich zu Rathe gezogen. Er verordnete Schwalbach. Weil aber Effi seit letztem Winter auch an katarrhalischen Affectionen litt und ein paarmal sogar auf Lunge hin behorcht worden war, so hieß es abschließend: „Also zunächst Schwalbach, meine Gnädigste, sagen Wir drei Wochen, und dann ebenso lange Ems. Bei der Emser Kur kann aber der Geheimrath zugegen sein. Bedeutet mithin Alles in Allem drei Wochen Trennung. Mehr kann ich sür Sie nicht thun, lieber Jnnstetten."
Damit war man denn auch einverstanden, und zwar sollte Effi, dahin ging ein weiterer Beschluß, die Reise mit einer Geheimräthin Zwicker zusammen machen, wie Briest sagte „zum Schutze dieser Letzteren", worin er nicht ganz Unrecht hatte, da die Zwicker, trotz guter Vierzig, eines Schutzes erheblich bedürftiger war als Effi. Jnnstetten, der wieder viel mit Vertretung zu thun hatte, beklagte, daß er, von Schwalbach gar nicht zu reden, wahrscheinlich auch auf gemeinschaftliche Tage in Ems werde verzichten müssen. Im klebrigen wurde der 24. Juni (Johannistag) als Abreisetag festgesetzt, und Roswitha half der gnädigen Frau beim Packen und Aufschreiben der Wäsche. Effi hatte noch immer die alte Liebe für sie, war doch Roswitha die Einzige, mit der sie von all' dem Zurückliegenden, von Kessin und Crampas, von dem Chinesen und Capitän Thomsen's Nichte srei und unbefangen reden konnte.
„Sage, Roswitha, Du bist doch eigentlich katholisch. Gehst Du denn nie Zur Beichte?"
„Nein."