Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

vergegenwärtige, resignirt und in seinem Elend doch noch ein Lächeln, so hieß der Blick: ,Jnnstetten, Principienreiterei . . . Sie konnten es mir ersparen und sich selber auch/ Und er hatte vielleicht Recht. Mir klingt so 'was in der Seele. Ja, Wenn ich voll tödtlichem Haß gewesen wäre, wenn mir hier ein tieses Rachegesühl gesessen hätte . . . Rache ist nichts Schönes, aber 'was Menschliches und hat ein natürlich menschliches Recht. So aber war Alles einer Vorstellung, einem Begriff zu Liebe, War eine gemachte Geschichte, halbe Komödie. Und diese Komödie muß ich nun sortsetzen und muß Esst wegschicken und sie ruiniren, und mich mit ... Ich mußte die Briefe verbrennen, und die Welt durfte nie davon erfahren. Und wenn sie dann kam, ahnungslos, so mußt' ich ihr sagen: ,Da ist Dein Platz/ und mußte mich innerlich von ihr scheiden. Nicht vor der Welt. Es gibt so viele Leben, die keine sind, und so viele Ehen, die keine sind . . . dann war das Glück hin, aber ich hätte das Auge mit seinem Frageblicke und mit seiner stummen leisen Anklage nicht vor mir."

Kurz vor Zehn hielt Jnnstetten vor seiner Wohnung. Er stieg die Treppen hinauf und zog die Glocke; Johanna kam und öffnete.

Wie steht es mit Annie?"

Gut, gnäd'ger Herr. Sie schläft noch nicht . . . Wenn der gnäd'ge Herr ..."

Nein, nein, das regt sie bloß auf. Ich sehe sie lieber morgen früh. Bringen Sie mir ein Glas Thee, Johanna. Wer war hier?"

Nur der Doctor."

Und nun war Jnnstetten wieder allein. Er ging auf und ab, wie er's zu thun liebte.Sie wissen schon Alles; Roswitha ist dumm, aber Johanna ist eine kluge Person. Und wenn sie's nicht mit Bestimmtheit wissen, so haben sie sich's zierecht gelegt und Wissen es doch. Es ist merkwürdig, was Alles zum Zeichen wird und Geschichten ausplaudert, als wäre Jeder mit da­bei gewesen."

Johanna brachte den Thee. Jnnstetten trank. Er war nach der Ueber- anstrengung todmüde und schlief ein.

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Jnnstetten war zu guter Zeit auf. Er sah Annie, sprach ein paar Worte mit ihr, lobte sie, daß sie eine gute Kranke sei und ging dann aufs Ministerium, um seinem Chef von allem Vorgefallenen Meldung zu machen. Der Minister war sehr gnädig.Ja, Jnnstetten, Wohl dem, der aus Allem, was das Leben uns bringen kann, heil heraus kommt; Sie hat's getroffen." Er fand Alles, was geschehen, in der Ordnung und überließ Jnnstetten das Weitere.

Erst spät Nachmittags war Jnnstetten wieder in seiner Wohnung, in der­er ein paar Zeilen von Wüllersdorf vorfand.Heute früh wieder eingetroffen. Eine Welt von Dingen erlebt; Schmerzliches, Rührendes, Gieshübler an der Spitze. Der liebenswürdigste Pucklige, den ich je gesehen. Von Ihnen sprach