Heft 
(1894) 82
Seite
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Esfi Brlcst.

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nur möglich. Und doch war es eine apart hübsche Wohnung, die Jedem, der sie sah, angenehm ausfiel, am meisten vielleicht dem alten Geheimrath Rumm- schüttel, der, dann und wann vorsprechend, der armen jungen Frau nicht bloß die nun weit zurückliegende Rheumatismus- und Neuralgie-Komödie, sondern auch Alles, was seitdem sonst noch vorgekommen war, längst verziehen hatte. Wenn es sür ihn der Verzeihung überhaupt bedurfte. Denn Rummschüttel kannte noch ganz Anderes. Er war jetzt Ausgangs Siebzig, aber wenn Esfi, die seit einiger Zeit ziemlich viel kränkelte, ihn brieflich um seinen Besuch bat, so war er am anderen Vormittag auch da und wollte von Entschuldigungen, daß es so hoch sei, nichts wissen.Nur keine Entschuldigungen, meine liebe, gnädigste Frau; denn erstens ist es mein Metier, und zweitens bin ich glücklich und beinahe stolz, die drei Treppen so gut noch steigen zu können. Wenn ich nicht fürchten müßte, Sie zu belästigen denn ich komme doch schließlich als Arzt und nicht als Naturfreund und Landschaftsschwärmer, so käme ich Wohl noch öfter, bloß um Sie zu sehen und mich hier etliche Minuten an Ihr Hinterfenster zu setzen. Ich glaube. Sie würdigen den Ausblick nicht genug."

O doch, doch," sagte Esfi; Rummschüttel aber ließ sich nicht stören und fuhr fort:Bitte, meine gnädigste Frau, treten Sie hier heran, nur einen Augenblick, oder erlauben Sie mir, daß ich Sie bis an das Fenster führe. Wieder ganz herrlich heute. Sehen Sie doch nur die verschiedenen Bahn­dämme, drei, nein vier, und wie es beständig darauf hin und her gleitet. . . und nun verschwindet der Zug da wieder hinter einer Banmgruppe. Wirklich herrlich. Und wie die Sonne den Weißen Rauch durchleuchtet! Wäre der Matthäikirchhof nicht unmittelbar dahinter, so wäre es ideal."

Ich sehe gern Kirchhöfe."

Ja, Sie dürfen das sagen. Aber unserem! Unser einem kommt un- abweislich immer die Frage, könnten hier nicht vielleicht einige weniger liegen? Im klebrigen, meine gnädigste Frau, bin ich mit Ihnen zufrieden und beklage nur, daß Sie von Ems nichts wissen wollen; Ems, bei Ihren katarrhalischen Affectionen, würde Wunder ..."

Esfi schwieg.

Ems würde Wunder thun. Aber da Sie's nicht mögen (und ich finde mich darin zurecht), so trinken Sie den Brunnen hier. In drei Minuten sind Sie im Prinz Albrechtschen Garten, und wenn auch die Musik und die Toi­letten und all' die Zerstreuungen einer regelrechten Brnnnenpromenade fehlen, der Brunnen selbst ist doch die Hauptsache."

Esfi war einverstanden, und Rummschüttel nahm Hut und Stock. Aber er trat noch einmal an das Fenster heran.Ich höre von einer Terrassirung des Kreuzbergs sprechen, Gott segne die Stadtverwaltung, und wenn dann erst die kahle Stelle da hinten mehr in Grün stehen Wird . .. Eine reizende Woh­nung. Ich könnte Sie fast beneiden . . . Und Was ich schon längst einmal sagen wollte, meine gnädige Frau, Sie schreiben mir immer einen so liebens­würdigen Brief. Nun, wer freute sich dessen nicht? Aber es ist doch jedes­mal eine Mühe . . . Schicken Sie mir doch einfach Roswitha."

Esfi dankte ihm, und so schieden sie.

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