Heft 
(1894) 82
Seite
358
Einzelbild herunterladen

358

Deutsche Rundschau.

Ja. Und es liegt mir daran, daß er erfährt, wie mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch fast meine schönsten gewesen sind, wie mir hier klar geworden, daß er in Allem recht gehandelt. In der Geschichte mit dem armen Crampas ja, was sollt' er am Ende anders thun? Und dann, womit er mich am tiefsten verletzte, daß er mein eigen Kind in einer Art Abwehr gegen mich erzogen hat, so hart es mir ankommt und so Weh' es mir thut, er hat auch darin Recht gehabt. Laß ihn das wissen, daß ich in dieser Ueberzeugnng gestorben bin. Es wird ihn trösten, aufrichten, vielleicht versöhnen. Denn er hatte viel Gutes in seiner Natur und war so edel, wie Jemand sein kann, der ohne rechte Liebe ist."

Frau v. Briest sah, daß Esst erschöpft war und zu schlafen schien oder schlafen wollte. Sie erhob sich leise von ihrem Platz und ging. Indessen kaum, daß sie fort war, erhob sich auch Esst und setzte sich an das offene Fenster, um noch einmal die kühle Nachtluft einzusaugen. Die Sterne flimmerten, und im Parke regte sich kein Blatt. Aber je länger sie hinaus horchte, je deut­licher hörte sie wieder, daß es wie ein seines Rieseln ans die Platanen nieder­siel. Ein Gefühl der Befreiung überkam sie.Ruhe, Ruhe."

-i-

-i-

Es war einen Monat später, und der September ging auf die Neige. Das Wetter war schön, aber das Laub im Parke zeigte schon viel Roth und Gelb, und seit den Aequinoctien, die drei Sturmtage gebracht hatten, lagen die Blätter überall hin ausgestreut. Auf dem Rondel hatte sich eine kleine Ver­änderung vollzogen, die Sonnenuhr war fort, und an der Stelle, wo sie ge­standen hatte, lag seit gestern eine Weiße Marmorplatte, darauf stand nichts alsEsst Briest" und darunter ein Kreuz. Das war Efsi's letzte Bitte ge­wesen:Ich möchte auf meinem Stein meinen alten Namen wieder haben; ich habe dem anderen keine Ehre gemacht." Und es war ihr versprochen worden.

'Ja, gestern war die Marmorplatte gekommen und aufgelegt worden, und angesichts der Stelle saßen nun wieder Briest und Frau und sahen daraus hin und auf den Heliotrop, den man geschont, und der den Stein jetzt ein­rahmte. Rollo lag daneben, den Kopf in die Pfoten gesteckt.

Wilke, dessen Gamaschen immer weiter wurden, brachte das Frühstück, und die Post, und der alte Briest sagte:Wilke, bestelle den kleinen Wagen. Ich will mit der Frau über Land fahren."

Frau v. Briest hatte mittlerweile den Kaffee eingeschenkt und sah nach dem Rondel und seinem Blumenbeete.Sieh', Briest, Rollo liegt wieder vor dem Stein. Es ist ihm doch noch tiefer gegangen als uns. Er frißt auch nicht mehr."

Ja, Luise, die Creatur. Das ist ja, was ich immer sage. Es ist nicht so viel mit uns, wie wir glauben. Da reden wir immer von Jnstinct. Am Ende ist es doch das Beste."

Sprich nicht so. Wenn Du so philosophirst . . . nimm es mir nicht übel, Briest, dazu reicht es bei Dir nicht aus. Du hast Deinen guten Verstand, aber Du kannst doch nicht an solche Fragen . . ."

Eigentlich nicht."