Der Hod des Uatroklos.
Sechzehnter und siebzehnter Gesang der Ilias.
Von
Herman Grirnm.
Die Ilias enthält die Geschichte Achill's. Die vierundzwanzig Gesänge des Gedichtes berichten jedoch nur von einigen wenigen Thaten des Achilleus, die eine kurze Reihe von Tagen ausfüllen. Die früheren Ereignisse seines Lebens bis zu dem Punkte, wo die Ilias beginnt, sind zurückblickend in sie eingeslochten. Ebenso ist vorausgreisend das angedeutet, was nach dem Ende der Ilias Achill zu erleben noch übrig blieb. Homer hätte auch anders Verfahren können. Etwa wie Goethe, der im Faust von einem gewissen Punkte des männlichen Alters ausgehend, Faust bis in dessen hohe Jahre hinein handelnd erscheinen und aus der Bühne sterben läßt. Im Tasso dagegen verfuhr er wie Homer: er hat Berichte über dessen Jugendleben in die Tragödie eingewebt, und läßt diese nach einem Umschwünge, der in kurzer Zeit sich vollzieht, plötzlich abbrechen.
Beim Beginne des ersten Gesanges der Ilias haben die Griechen viele Jahre schon vor der Stadt gelegen. Beim Abschlüsse des Gedichtes steht Achill's Tod zwar nahe bevor, allein es bedarf wieder noch einer Reihe von Jahren bis Ilion fällt.
Der hohe Werth der Dichtung Homer's liegt in der Charakterentfaltung Achill's. Aber auch darin, daß neben ihm andere griechische und troische Gestalten erscheinen, deren Charaktere in dem beschränkten Umkreise der von den vierundzwanzig Gesängen umschlossenen Zeit gleichsam in Blüthe gerathen. Alle diese Gestalten bilden mit Achill eine harmonisch ineinandergefügte Architektur, ein wunderbares Ganzes. Hierin und in der Verschlingung eines ungeheuren Reichthumes von Bildern und Gedanken liegt des Gedichtes gewaltige Wirkung. Was die Ilias an möglicherweise politisch Tatsächlichem oder an culturhistorischem Materiale bietet, steht zurück gegen das aus ihr uns entgegendringende Phantasiespiel in Darstellung menschlicher Leidenschaft. Ihr Gehalt in dieser Richtung ist so stark, daß sie, seit ihrer fast drei Jahr-