Heft 
(1894) 82
Seite
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Ter Tod des Patroklos.

tausende zurückliegenden Entstehung, der Menschheit als etwas Frischgewachsenes, Modernes erschienen ist, als eine unverwelkliche Blume. Wer sich damit be­schäftigt, die Ursachen ihrer irdischen Unsterblichkeit, das Wesen ihrer Schön­heit, die Gründe ihrer Wirkung zu betrachten, wird niemals unnöthige Arbeit unternehmen. Das Gedicht ist durch besondere Umstände der heute lebenden Generation entfremdet worden. Es haben sich Vorurtheile gegen die Ilias als Werk der Dichtkunst erhoben, denen ich entgegentreten möchte. Ich erhoffe besonders deshalb Nutzen von meinen Bestrebungen, als immer dann, wenn Umwälzungen im Dasein der Völker eintreten, die Schöpfungen der großen Dichter zu dem gehören, was durch eine ihnen innewohnende Kraft die Mensch­heit, welche geistig auseinderzufallen droht, wieder vereinigt.

Der fünfzehnte Gesang schloß damit, daß Hektor, an der Spitze der troischen Armee, die von den Griechen zum Schutze ihrer, um eine Bucht des Meeres in weitem Umkreise aufs Land gezogenen Schiffe, ausgeführten Verschanzungen gestürmt hatte und im Begriffe stand, in das erste Schiff Feuerbrände zu werfen. Einstweilen wehrt Mas von dessen Höhe herunter die Trojaner noch ab. Wir empfinden, daß sein Widerstand nicht mehr lange Dauer haben werde. Der sechzehnte Gesang versetzt uns zu Achill, dessen Schiffe entfernt am anderen Ende des griechischen Lagers liegen, und der unthätig den Augen­blick erwartet, wo die aufs Aeußerste bedrängten Griechen ihn bitten werden, wieder in den Kampf einzutreten.

Also kämpften diese um das Schiss.

Doch wie über den Fels das wolkengeborene Wasser herabrinnt, so mit fließenden Thrünen Stand jetzt neben Achill Patroklos wieder.

Und Achill, ihn ansehend, fragte bedauernd:

Warum weinst du Patroklos? So in Thränen Läuft ein kleines Mädchen der Mutter nach,

Klammert sich an ihr Kleid und mit den Blicken Sucht es die ihren, bis sie es auf den Arm nimmt;

So auch dir Patroklos tröpfeln die Augen:

Hast du den Mhrmidonen oder mir Etwas zu sagen? Kam dir von zu Hause Nachricht, die du allein weißt? Lebt dein Vater Oder der meine nicht mehr, die wir doch beide,

Wären sie todt, zusammen beweinen würden?

Oder jammerst du so der Griechen wegen,

Die bei den Schiffen jetzt zu Grunde gehn?

Sprich, damit auch ich, was du weißt, erfahre!

Tief aufseufzend sagte darauf Patroklos:

O Achill, erhabener Held der Griechen,

Zürne mir nicht: um unsre Griechen wein' ich,

Die, so viel ihrer waren tapfre Männer!

Todt bei den Schiffen oder verwundet liegen.

Nicht mehr kämpft der gewaltige Diomedes,

Nicht mehr kämpfen Odysseus und Agamemnon,

Nicht Eurypylos mehr, dem ein Pfeil das Bein traf.

Aber Denen suchen die Nerzte zu helfen:

Tu allein hilfst Keinem! Möge mich selbst nicht