Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

genommen, welches zweifellos zu den comsortablesten Häusern der Riviera zählt. Der Hotelgarten reicht bis an das Wasser und verliert sich schließlich längs desselben an der westlichen Küste. Da kann man unvermerkt aus der gezähmten Natur entfliehen, und noch in unverfälschten würzigen Maquis wandern. Und bei jeder Windung des Users ragen neue Felsen aus dem Meer hervor, immer anders geformt, in unerschöpflichem Wechsel. Ueberall die anbrausenden Wogen mit ihrem Silberrand, hier von tiefem Blau, dort von Hellem Grün, dort wieder in violetten Tönen; dann plötzlich vorüber­eilende Fischerbarken, grell beleuchtet im lichten Schein der Sonne. Die Ruder scheinen in flüssiges Metall zu tauchen, und funkelnde Tropfen fallen von ihnen in das Meer zurück. Weite Blicke öffnen sich über die Küste: hier Monte Carlo, sanft vom Meere aufsteigend, dort Monaco auf seinem steilen Fels, darüber, wie auf Wache, die riesigeTete de Chien". Ganz in der Nähe liegt am Bergesabhang das Felsennest Roccabruna, in Orangenhaine gehüllt, umrahmt von Cypressen und Carouben. So läßt sich hier genuß­reich am Vormittage wandern, da die Sonne noch im Osten steht, im Schatten des steil aufsteigenden Caps; selsauf, selsab, einmal dicht am Meere, dann steil über demselben, dann wieder am Strand, wo die Welle bis zu den Füßen rollt.

Am Nachmittag lockt dann das westliche Ufer, wo der Blick die hohen Berge über Mentone umfaßt. Sie scheinen fast unmittelbar dem Meere zu entsteigen, diese steilen Riesen, die ihren Curs ins Meer, ihren Gipfel aber in die Wolken tauchen. Sie leuchteten am Abend im Glanz der scheidenden Sonne, während tiefer Schatten schon Mentone deckt. Auch das alte Bordighera, weithin vorgeschoben in das offene Meer, flammt noch in purpurnem Lichte. Ein Liebling der Sonne an dieser goldigen Küste, empfängt er am Abend ihren letzten Gruß.

Doch das Wetter verdarb sich und erleichterte uns die Trennung von der Riviera. Dicke Regentropfen sielen vom Himmel und tränkten die durstige Erde. Wir aber konnten von hier in dem süßen Wahne scheiden, es weine uns dieser Himmel, den wir so liebgewonnen, einige Thränen zum Abschied nach.