Effi Briest.
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Der „Schritt vom Wege" kam wirklich zu Stande, und gerade weil man nur noch gute vierzehn Tage hatte (die letzte Woche vor Weihnachten war ausgeschlossen), so strengte sich Alles an, und es ging vorzüglich; die Mitspielenden, vor Allem Effi, ernteten reichen Beifall. Crampas hatte sich wirklich mit der Regie begnügt, und so streng er gegen alle Anderen war, so wenig hatte er aus den Proben in Efsi's Spiel hineingeredet. Entweder waren ihm von Seiten Gieshübler's Mittheilungen über das mit Effi gehabte Gespräch gemacht worden, oder er hatte es auch aus sich selber bemerkt, daß Effi beflissen war, sich von ihm zurückzuziehen. Und er war klug und Frauenkenner genug, um den natürlichen Entwicklungsgang, den er nach seinen Erfahrungen nur zu gut kannte, nicht zu stören.
Am Theaterabend in der Ressource trennte man sich spät, und Mitternacht war vorüber, als Jnnstetten und Effi wieder zu Hause bei sich eintrafen. Johanna war noch auf, um behülflich zu sein, und Jnnstetten, der auf seine junge Frau nicht wenig eitel war, erzählte Johanna, wie reizend die gnädige Frau ausgesehen und wie gut sie gespielt habe. Schade, daß er nicht vorher daran gedacht, Kriftel und sie selber und auch die alte Unke, die Kruse, hätten von der Musikgalerie her sehr gut Zusehen können; es seien Viele da gewesen. Dann ging Johanna, und Effi, die müde war, legte sich nieder. Jnnstetten aber, der noch plaudern wollte, schob einen Stuhl heran und setzte sich an das Bett seiner Frau, diese freundlich ansehend und ihre Hand in der seinen haltend.
„Ja, Effi, das war ein hübscher Abend. Ich habe mich amüsirt über das hübsche Stück. Und denke Dir, der Dichter ist ein Kammergerichtsrath, eigentlich kaum zu glauben. Und noch dazu aus Königsberg. Aber worüber ich mich am meisten gefreut, das war doch meine entzückende kleine Frau, die Allen die Köpfe verdreht hat."
„Ach, Geert, sprich nicht so. Ich bin schon gerade eitel genug."
„Eitel genug, das wird Wohl richtig sein. Aber doch lange nicht so eitel wie die Anderen. Und das ist zu Deinen sieben Schönheiten . . ."
„Sieben Schönheiten haben Alle."
„. . . Ich habe mich auch bloß versprochen; Du kannst die Zahl gut mit sich selbst multipliciren."
„Wie galant Du bist, Geert. Wenn ich Dich nicht kennte, könnt' ich mich fürchten. Oder lauert wirklich 'was dahinter?"
„Hast Du ein schlechtes Gewissen? Selber hinter der Thür gestanden?"
„Ach, Geert, ich ängstige mich wirklich." Und sie richtete sich im Bett in die Höh' und sah ihn starr an. „Soll ich noch nach Johanna klingeln, daß sie uns Thee bringt? Du hast es so gern vor dem Schlafengehen."
Er küßte ihr die Hand. „Nein, Effi. Nach Mitternacht kann auch der Kaiser keine Tasse Thee mehr verlangen, und Du weißt, ich mag die Leute nicht mehr in Anspruch nehmen, als nöthig. Nein, ich will nichts als Dich ansehen und mich freuen, daß ich Dich habe. So manchmal empfindet man's doch stärker, welchen Schatz man hat. Du könntest ja auch so sein wie die arme Frau Crampas; das ist eine schreckliche Frau, gegen Keinen freundlich, und Dich hätte sie vom Erdboden vertilgen mögen."
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