Heft 
(1894) 82
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Effi Briest.

können. Weißt Du, mir ist, als hörte ich oben das Tanzen. Sonderbar, daß es immer wieder kommt. Ich dachte, Du hättest mit dem allen nur so gespaßt."

Das will ich doch nicht sagen, Effi. Aber so oder so, man muß nur in Ordnung sein und sich nicht zu fürchten brauchen."

Effi nickte und dachte mit einem Male wieder an die Worte, die ihr

Crampas über ihren Mann alsErzieher" gesagt hatte.

*

Der heilige Abend kam und verging ähnlich wie das Jahr vorher; aus Hohen-Cremmen kamen Geschenke und Briefe; Gieshübler war wieder mit einem Huldigungsvers zur Stelle, und Vetter Briest sandte eine Karte: Schneelandschaft mit Telegraphenstangen, aus deren Draht geduckt ein Vögelchen saß. Auch für Annie war aufgebaut: ein Baum mit Lichtern, und das Kind griff mit seinen Händchen danach. Jnnstetten, unbefangen und heiter, schien sich seines häuslichen Glücks zu freuen und beschäftigte sich viel mit dem Kinde. Roswitha war erstaunt, den gnädigen Herrn so zärtlich und zugleich so auf­geräumt zu sehen. Auch Effi sprach viel und lachte viel, es kam ihr aber nicht aus innerster Seele. Sie fühlte sich bedrückt und wußte nur nicht, wen sie dafür verantwortlich machen sollte, Jnnstetten oder sich selber. Von Crampas war kein Weihnachtsgruß eingetroffen; eigentlich war es ihr lieb, aber auch wieder nicht, seine Huldigungen erfüllten sie mit einem gewissen Bangen, und seine Gleichgültigkeiten verstimmten sie; sie sah ein, es war nicht Alles so, wie's sein sollte.

Du bist so unruhig," sagte Jnnstetten nach einer Weile.

Ja. Alle Welt hat es so gut mit mir gemeint, am meisten Du; das bedrückt mich, weil ich fühle, daß ich es nicht verdiene."

Damit darf man sich nicht quälen, Effi. Zuletzt ist es doch so: was man empfängt, das hat man auch verdient."

Effi hörte scharf hin, und ihr schlechtes Gewissen ließ sie sich selber fragen, ob er das absichtlich in so zweideutiger Form gesagt habe.

Spät gegen Abend kam Pastor Lindequist, um zu gratuliren und noch wegen der Partie nach der Oberförsterei Uvagla hin anzusragen, die natürlich eine Schlittenpartie werden müsse. Crampas habe ihm einen Platz in seinem Schlitten angeboten, aber weder der Major noch sein Bursche, der, wie Alles, auch das Kutschiren übernehmen solle, kenne den Weg, und so würde es sich vielleicht empfehlen, die Fahrt gemeinschaftlich zu machen, wobei dann der landräthliche Schlitten die Täte zu nehmen und der Crampas'sche zu folgen hätte. Wahrscheinlich auch der Gieshübler'sche. Denn mit der Wegekenntniß Mirambo's, dem sich unerklärlicherweise Freund Alonzo, der doch sonst so vorsichtig, anvertrauen wolle, stehe es wahrscheinlich noch schlechter als mit der des sommersprossigen Treptower Ulanen. Jnnstetten, den diese kleinen Verlegenheiten erheiterten, war mit Lindequist's Vorschläge durchaus einver­standen und ordnete die Sache dahin, daß er pünktlich um zwei Uhr über den Marktplatz fahren und ohne alles Säumen die Führung des Zuges in die Hand nehmen werde.