Effi Briest.
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aber nicht, sondern nahm ihren Platz bei den alten Damen, für die, ganz in Nähe der Musikempore, die Fauteuils gestellt waren. Von den adligen Familien, mit denen Jnnstetten's vorzugsweise verkehrten, war Niemand da, weil kurz vorher ein kleines Zerwürfniß mit dem städtischen Ressourcenvorstand, der, namentlich seitens des alten Güldenklee, 'mal wieder „destructiver Tendenzen" beschuldigt worden war, stattgefunden hatte; drei, vier andere adlige Familien aber, die nicht Mitglieder der Ressource, sondern immer nur geladene Gäste waren und deren Güter an der anderen Seite der Kessine lagen, waren aus zum Theil weiter Entfernung über das Flußeis gekommen und freuten sich, an dem Feste theilnehmen zu können. Essi saß zwischen der alten Ritterschastsräthin von Padden und einer etwas jüngeren Frau von Titzewitz. Die Ritterschastsräthin, eine vorzügliche alte Dame, war in allen Stücken ein Original und suchte das, was die Natur, besonders durch starke Backenknochenbildung, nach der wendisch-heidnischen Seite hin für sie gethan hatte, durch christlich-germanische Glaubensstrenge wieder in Ausgleich zu bringen. In dieser Strenge ging sie so weit, daß selbst Sidonie v. Grasenabb eine Art ssprit kort neben ihr war, wogegen sie freilich — vielleicht weil sich die Radegaster und die Swantowiter Linie des Hauses in ihr vereinigten — über jenen alten Paddenhumor verfügte, der, von langer Zeit her, wie ein Segen aus der Familie ruhte, und Jeden, der mit derselben in Berührung kam, auch wenn es Gegner in Politik und Kirche waren, herzlich erfreute.
„Nun, Kind," sagte die Ritterschastsräthin, „wie geht es Ihnen denn eigentlich?"
„Gut, gnädigste Frau; ich habe einen sehr ausgezeichneten Mann."
„Weiß ich. Aber das hilft nicht immer. Ich hatte auch einen ausgezeichneten Mann. Wie steht es hier? Keine Anfechtungen?"
Essi erschrak und war zugleich wie gerührt. Es lag etwas ungemein Erquickliches in dem freien und natürlichen Ton, in dem die alte Dame sprach, und daß es eine so fromme Frau war, das machte die Sache nur noch erquicklicher.
„Ach, gnädigste Frau ..."
„Da kommt es schon. Ich kenne das. Immer dasselbe. Darin ändern die Zeiten nichts. Und vielleicht ist es auch recht gut so. Denn worauf es ankommt, meine liebe junge Frau, das ist das Kämpfen. Man muß immer ringen mit dem natürlichen Menschen. Und wenn man sich dann so unter hat und beinah' schreien möchte, weil's Weh thut, dann jubeln die lieben Engel!"
„Ach, gnädigste Frau. Es ist oft recht schwer."
„Freilich ist es schwer. Aber je schwerer, desto besser. Darüber müssen Sie sich freuen. Das mit dem Fleisch, das bleibt, und ich habe Enkel und Enkelinnen, da seh' ich es jeden Tag. Aber im Glauben sich unterkriegen, meine liebe Frau, darauf kommt es an, das ist das Wahre. Das hat uns unser alter Martin Luther zur Erkenntniß gebracht, der Gottesmann. Kennen Sie seine Tischreden?"
„Nein, gnädigste Frau."
Deutsche Rundschau. XXI, 4.
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