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Deutsche Rundschau.
Effi lachte so herzlich, wie sie seit lange nicht mehr gelacht hatte. Doch es war von keiner Dauer, und als Jnnstetten ging und sie allein ließ, setzte sie sich an die Wiege des Kindes, und ihre Thränen fielen auf die Kissen. Es brach wieder über sie herein, und sie fühlte, daß sie wie eine Gefangene sei und nicht mehr heraus könne.
Sie litt schwer darunter und wollte sich befreien. Aber wiewohl sie starker Empfindungen fähig war, so war sie doch keine starke Natur; ihr fehlte die Nachhaltigkeit, und alle guten Anwandlungen gingen wieder vorüber. So trieb sie denn weiter, heute, weil sie's nicht ändern konnte, morgen, weil sie's nicht ändern wollte. Das Verbotene, das Geheimnißvolle, hatte seine Macht über sie.
So kam es, daß sie sich, von Natur frei und offen, in ein verstecktes Komödienspiel mehr und mehr hinein lebte. Mitunter erschrak sie, wie leicht es ihr wurde. Nur in Einem blieb sie sich gleich: sie sah Alles klar und beschönigte nichts. Einmal trat sie spät Abends vor den Spiegel in ihrer Schlafstube; die Lichter und Schatten flogen hin und her, und Rollo schlug draußen an, und im selben Augenblicke war es ihr, als sähe ihr wer über die Schulter. Aber sie besann sich rasch. „Ich weiß schon, was es ist; es war nicht der," und sie wies mit dem Finger nach dem Spukzimmer oben. „Es war 'was Anderes . . . mein Gewissen . . . Effi, Du bist verloren."
Es ging aber doch weiter so, die Kugel war im Rollen, und was an einem Tage geschah, machte das Thun des andern zur Nothwendigkeit.
Um die Mitte des Monats kamen Einladungen auss Land, lieber die dabei inne zu haltende Reihenfolge hatten sich die vier Familien, mit denen Jnnstettens vorzugsweise verkehrten, geeinigt: die Vorckes sollten beginnen, die Flemmings und Grasenabbs folgten, die Güldenklees schlossen ab. Jmnwr eine Woche dazwischen. Alle vier Einladungen kamen am selben Tage; sie sollten ersichtlich den Eindruck des Ordentlichen und Wohlerwogenen machen, auch Wohl den einer besonderen freundschaftlichen Zusammengehörigkeit.
„Ich werde nicht mit dabei sein, Geert, und Du mußt mich der Kur halber, in der ich nun seit Wochen stehe, von vornherein entschuldigen."
Jnnstetten lachte. „Kur. Ich soll es aus die Kur schieben. Das ist das Vorgebliche; das Eigentliche heißt: Du willst nicht."
„Nein, es ist doch mehr Ehrlichkeit dabei als Du zugeben willst. Du hast selbst gewollt, daß ich den Doctor zu Rathe ziehe. Das Hab' ich gethan, und nun muß ich doch seinem Rathe folgen. Der gute Doctor, er hält mich für bleichsüchtig, sonderbar genug, und Du weißt, daß ich jeden Tag von dem Eisenwasser trinke. Wenn Du Dir ein Borcke'sches Diner dazu vorstellst, vielleicht mit Preßkopf und Aal in Aspic, so mußt Du den Eindruck haben, es wäre mein Tod. Und so wirst Du Dich doch zu Deiner Effi nicht stellen Wollen. Freilich mitunter ist es mir ..."
„Ich Litte Dich, Effi . . ."
„. . . Uebrigens freu' ich mich, und das ist das einzig Gute dabei, Dich jedesmal, wenn Du fährst, eine Strecke Wegs begleiten zu können, bis an die Mühle gewiß oder bis an den Kirchhof oder auch bis an die Waldecke, da,