26 Deutsche Rundschau.
doch eine verheirathete Frau. So 'was darfst Du nicht sagen, das ist ungehörig, das paßt sich nicht."
„Ach, gnädigste Frau . .
„Erzähle mir lieber, was aus Dir wurde. Das Kind hatten sie Dir genommen. So weit warst Du . .
„Und dann, nach ein paar Tagen, da kam wer aus Erfurt, der fuhr bei dem Schulzen vor und fragte, „ob da nicht eine Amme sei." Da sagte der Schulze „ja." Gott lohne es ihm, und der fremde Herr nahm mich gleich mit, und von da an Hab' ich bess're Tage gehabt; selbst bei der Registratorin war es doch immer noch zum Aushalten, und zuletzt bin ich zu Ihnen gekommen, gnädige Frau. Und das war das Beste, das Allerbeste." Und als sie das sagte, trat sie an das Sopha heran und küßte Esst die Hand.
„Roswitha, Du mußt mir nicht immer die Hand küssen, ich mag das nicht. Und nimm Dich nur in Acht mit dem Kruse. Du bist doch sonst eine so gute und verständige Person . . . Mit einem Ehemanne ... das thut nie gut."
„Ach, gnäd'ge Frau, Gott und seine Heiligen führen uns wunderbar, und das Unglück, das uns trifft, das hat doch auch sein Glück. Und wen es nicht bessert, dem is nich' zu helfen... Ich kann eigentlich die Mannsleute gut leiden ..."
„Siehst Du, Roswitha, siehst Du."
„Aber wenn es 'mal wieder so über mich käme, mit dem Kruse, das is ja nichts, und ich könnte nicht mehr anders, da lief ich gleich ins Wasser. Es war zu schrecklich. Alles. Und was nur aus dem armen Wurme geworden is? Ich glaube nicht, daß es noch lebt; sie haben es umkommen lassen, aber ich bin doch Schuld." Und sie warf sich vor Annie's Wiege nieder und wiegte das Kind hin und her und sang in einem fort ihr „Buhküken von Halberstadt."
„Laß," sagte Esst. „Singe nicht mehr; ich habe Kopfweh. Aber bringe mir die Zeitungen. Oder hat Gieshübler vielleicht die Journale geschickt?"
„Das hat er. Und die Modezeitung lag oben auf. Da haben wir drin geblättert, ich und Johanna, eh' sie 'rüber ging. Johanna ärgert sich immer, daß sie so 'was nicht haben kann. Soll ich die Modezeitung bringen?"
„Ja, die bringe und bring' auch die Lampe."
Roswitha ging, und Esst, als sie allein war, sagte: „womit man sich nicht Alles Hilst! Eine hübsche Dame mit einem Muff und eine mit einem Halbschleier; Modepuppen. Aber es ist das Beste, mich aus andre Gedanken zu bringen."
*
Im Lause des andern Vormittags kam ein Telegramm von Jnnstetten, worin er mittheilte, daß er erst mit dem zweiten Zuge kommen, also nicht vor Abend in Kessin eintreffen werde. Der Tag verging in ewiger Unruhe; glücklicher Weise kam Gieshübler im Lause des Nachmittags und hals über eine Stunde weg. Endlich um sieben Uhr fuhr der Wagen vor, Effi trat