Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Jnnstetten ging auch wirklich in die Falle.Nun, Esst, Du bleibst so ruhig."

Ach, Geert, es hat Alles so seine zwei Seiten. Auf der einen Seite be­glückt es mich, die Mama wiederzusehen und vielleicht sogar schon in wenig Tagen. Aber es spricht auch so Vieles dagegen."

Was?"

Die Mama, wie Du weißt, ist sehr bestimmt und kennt nur ihren eignen Willen. Dem Papa gegenüber hat sie immer Alles durchsetzen können. Aber ich möchte gern eine Wohnung haben, die nach meinem Geschmack ist, und eine neue Einrichtung, die mir gefällt."

Jnnstetten lachte.Und das ist Alles?"

Nun, es wäre grade genug. Aber es ist nicht Alles." Und nun nahm sie sich zusammen und sah ihn an und sagte:Und dann, Geert, ich möchte nicht gleich wieder von Dir fort."

Schelm, das sagst Du so, weil Du meine Schwäche kennst. Aber wir sind alle so eitel, und ich will es glauben. Ich will es glauben und doch zugleich auch den Heroischen spielen, den Entsagenden. Reise, sobald Du's für nöthig hältst und vor Deinem Herzen verantworten kannst."

So darfst Du nicht sprechen, Geert. Was heißt das ,vor meinem Herzen verantwortend Damit schiebst Du mir, halb gewaltsam, eine Zärtlichkeits- rolle zu, und ich muß Dir dann aus reiner Koketterie sagen: Ach, Geert, dann reise ich nie? Oder doch so etwas Aehnliches."

Jnnstetten drohte ihr mit dem Finger.Esst, Du bist mir zu fein. Ich dachte immer. Du wärst ein Kind, und sehe nun, daß Du das Maß hast wie alle anderen. Aber lassen wir das, oder wie Dein Papa immer sagte: ,das ist ein zu weites Feld? Sage lieber, wann willst Du fort?"

Heute haben wir Dienstag. Sagen wir also Freitag Mittag mit dem Schiff. Dann bin ich am Abend in Berlin."

Abgemacht. Und wann zurück?"

Nun, sagen wir Montag Abend. Das sind dann drei Tage."

Geht nicht. Das ist zu früh. In drei Tagen kannst Du's nicht zwingen. Und so rasch läßt Dich die Mama auch nicht fort."

Also aus Diskretion."

Gut."

Und damit erhob sich Jnnstetten, um nach dem Landrathsamte hinüber zu gehen.

*

Die Tage bis zur Abreise vergingen wie im Fluge. Roswitha war sehr- glücklich.Ach, gnädigste Frau, Kessin, nun ja . . ., aber Berlin ist es nicht. Und die Pferdebahn. Und wenn es dann so klingelt und man nicht weiß, ob man links oder rechts soll, und mitunter ist mir schon gewesen, als ginge Alles grad über mich weg. Nein, so was ist hier nicht. Ich glaube, manchen Tag sehen wir keine sechs Menschen. Und immer bloß die Dünen und draußen die See. Und das rauscht und rauscht, aber weiter ist es auch nichts."