Heft 
(1894) 82
Seite
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Das Schiff, ein leichtes Segelschiff (die Dampfboote gingen nur Sommers), fuhr um zwölf. Schon eine Viertelstunde vorher waren Esst und Jnnstetten an Bord; auch Roswitha und Annie.

Das Gepäck war größer, als es für einen, auf fo wenig Tage geplanten Ausflug geboten erschien. Jnnstetten sprach mit dem Capitän; Effi, in einem ' Regenmantel und hellgrauem Reifehut, stand auf dem Hinterdeck, nahe am Steirer, und musterte von hier aus das Bollwerk und die hübsche Häuserreihe, die dem Zuge des Bollwerks folgte. Gerade der Landungsbrücke gegenüber lag Hoppensack's Hotel, ein drei Stock hohes Gebäude, von dessen Giebeldach eine gelbe Flagge, mit Kreuz und Krone darin, schlaff in der stillen, etwas nebligen Luft hernieder hing. Esst sah eine Weile nach der Flagge hinauf, ließ dann aber ihr Auge wieder abwärts gleiten und verweilte zuletzt auf einer Anzahl von Personen, die neugierig am Bollwerk umher standen. In diesem Augenblicke wurde geläutet. Effi war ganz eigen zu Muth, das Schiff fetzte sich langsam in Bewegung, und als sie die Landungsbrücke noch einmal musterte, sah sie, daß Crampas in vorderster Reihe stand. Sie erschrak bei feinem Anblick und freute sich doch auch. Er seinerseits, in seiner ganzen Haltung verändert, war sichtlich bewegt und grüßte ernst zu ihr hinüber, ein Gruß, den sie ebenso, aber doch zugleich in großer Freundlichkeit, erwiderte; dabei lag etwas Bittendes in ihrem Auge. Dann ging sie rasch auf die Cajüte zu, wo sich Roswitha mit Annie schon eingerichtet hatte. Hier, in dem etwas stickigen Raume, blieb sie, bis man aus dem Fluß in die weite Bucht des Breitling eingefahren war; da kam Jnnstetten und ries sie nach oben, daß sie sich an dem herrlichen Anblick erfreue, den die Landschaft grade an dieser Stelle bot. Sie ging dann auch hinauf. Ueber dem Wasserspiegel hingen graue Wolken, und nur dann und wann schoß ein halb umschleierter Sonnenblick aus dem Gewölk hervor. Effi gedachte des Tages, wo sie, vor jetzt gerade Fünfvierteljahren, im offenen Wagen am Ufer eben dieses Breitlings hin entlang gefahren war. Eine kurze Spanne Zeit, und das Leben oft so still und einsam. Und doch, was war alles seitdem geschehen!

So fuhr man die Wasserstraße hinauf und war um zwei an der Station oder doch ganz in Nähe derselben. Als man gleich danach das Gasthaus des ,Fürsten Bismarck' passirte, stand auch Golchowski wieder in der Thür und versäumte nicht, den Herrn Landrath und die gnädige Frau bis an die Stufen der Böschung zu geleiten. Oben war der Zug noch nicht angemeldet, und Effi und Jnnstetten schritten auf dem Bahnsteig auf und ab. Ihr Gespräch drehte sich um die Wohnungsfrage; man war einig über den Stadttheil, und daß es zwischen dem Thiergarten und dem Zoologischen Garten sein müsse.Ich will den Finkenschlag hören und die Papageien auch," sagte Jnnstetten, und Effi stimmte ihm zu.

Nun aber hörte man das Signal und der Zug lief ein; der Bahnhofs­inspector war voller Entgegenkommen, und Effi erhielt ein Coupä für sich.

Noch ein Händedruck, ein Wehen mit dem Tuch, und der Zug fetzte sich wieder in Bewegung.

(ftortsehm'.H solcp.)