Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Stuttgart was meinst Du, Luise? Ist das nicht ein artiges Wort, das man höchstens im Traum wagen würde?

Nun einige Aufträge. Bei der ersten Betstunde kam es zur Sprache, ob ich einen Kirchenrock hätte, und sie wunderten sich ziemlich über meinNein"; denn des Pfarrers kann ich nicht tragen, und auch der Lehmann war mit einem eigenen versehen; fie waren aber gleich besonnen, daß ich mir eben einen verschaffen möchte, und im Grunde ist es billig. Die Frau Pfarrer übernahm mit großer Bereitwilligkeit die Sorge, das Zeug zu bestellen, es kam noch gestern mit der Rechnung von Stuttgart an, macht 6 sl. 32, und der Schneider versprach ihn noch vor den Christ­tagen. Den Conto aber mußt' ich schicklicherweise gleich bezahlen, meine Barschaft ging dadurch sehr aus die Neige, und ich muß Dich bitten, liebe Mutter, mir wieder einiges zu schicken, je eher, je lieber.

Ferner: in dem Kommodeschublädchen links, wo die Tinte steht, liegt ein Briefchen von Louis*), das er, glaub' ich, in Oberboihingen an mich schrieb; er möchte mir's schicken. 3. Mein Federmesser, 4. Zahnpulver, 5. das Taschenbuch Kronos (nicht zu meinem Gebrauch).

Gestern schickt' mir die Frau Psarrerin (das lass' ich der Luise sagen) ein Büchlein herunter, ich möchte es auch geschwind lesen, es sei so nett, es sei vom Herrn Geheimen Rath. Was war der Schatz? Schriften von H. Clauren, vierter Band.

Lebet wohl! Gebe bald Nachricht von Luisen und Euch Allen!

Euer treuer Eduard.

4. An Schwester Luise.

Möhringen ohne Datum. Der Brief ist etwa im Februar 1827 geschrieben.

Möhringen, 8 Uhr Morgens.

Geliebteste Luise!

Es ist heute ein so schöner, goldiger Tag, als nur je im Frühling einer vom Himmel fallen jkannj. Ich sagte deswegen vorhin beim Frühstück zu meinem Herrn Pfarrer, wenn die Erfindung der Luftschiffe zu Staude gekommen wäre, ob er jetzt nicht Lust hätte? Aber er sprach von der entsetzlichen Kälte; hingegen ich schauderte vor Wohllust bei dem Gedanken; wenn ich mein Fenster ausmache und rechts hin­übersehe, so hängt rothe Wintersonne in leichtem Dampf, und der übrige Himmel ist eine Bläue, und zwei, drei Dächer in der Nachbarschaft haben ihren vollen Schnee rosinroth anlausen lassen. Da fällt mir nun ein gewisses Offert des lieben Onkels von Bernhausen aufs Neue aus die Seele. Er war nämlich

gestern hier bei des Barons und ließ mich rufen, und zwar was wie des Himmels Lenkung war von einer unerträglich faden, großen Gesellschaft im Pfarrhaus weg. Mir hüpfte das Herz, wie mir des lieben Onkels treues Gesicht so freundlich zwischen der Thür' entgegen kam. Auch die Tante war da, und Lady Milford nahm sich recht imposant unter dem übrigen Adel aus. Die herzige Frau Killinger^) saß zwischen der Tante und dem Onkel, ich konnte nicht umhin, immer aufs Neue wieder nach ihr zu blicken; sie erinnerte mich sehr an Marie M-, nur daß sie allerdings um einige Mondscheinsfäden zärter ist. Sie sprach mit äußerster Innigkeit von Dir und der lieben Mutter und will mir ehestens einen Brief an Letztere zur Bestellung senden. Sie hofft in Bernhausen mit Euch ein­mal zusammen zu kommen. Den lieben Onkel interessirte die Nastische Angelegen-

1) Ein jüngerer Bruder des Dichters (18111886); Landwirth.

2) Pfarrer Neuffer, an den eine Schwester von Mörike's Mutter verheirathet war; Mörike und die Seinigen standen zu ihm und seiner Familie in besonders nahen Beziehungen.

3) Freifrau von Killinger, eine Tochter des Barons Jan.