Eduard Mörike.
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heit, und was ich dabei zu thun gehabt, sehr. Ich bekam nämlich um jene Zeit von der Frau DirectorinH eine Einladung nach Stuttgart, wie Du aus dem bei- gelcgten Brief sehen wirst. Wie ich hinunter kam, fand ich schon so viel ziemlich ausgemacht, daß dem Nast^) ein Kurmonat aus ein Vierteljahr in Schönthal bei seinem Schwager gewährt sei. An der Frau Directorin fand ich eine außerordentlich verständige Frau, und ich versäumte die Gelegenheit, als ich über eine Stunde allein mit ihr redete, nicht, mich in einem nüchternen Lichte zu zeigen; auch berührte ich den Verdacht der Phantasterei, in dem ich vielleicht stehe, offen bei ihr und glaube, daß er nun hier weggefallen ist. Ihn traf ich beide Male nicht an, denn das Mittagessen schlug ich aus und speiste Lei Georgii, der ungemein gütig gewesen. Nun also der liebe Onkel von Bernhausen lud mich gestern ein, mit ihm zu fahren, und heute ging's dann auf ein paar Stunden nach Nürtingen: aber ich konnt's nicht wohl wegen des Pfarrers.
Bei Euch, meine Herzen, steht es ja besser, das fördert meine Laune sichtbarlich.
Noch etwas. Setzet doch in Euren lieben Briefen allemal auch einen Empsehl an des Herrn Pfarrers bei, weil ich die Briese meistens oben erbreche und stückweis vorlese — nur damit ich eine wohlseile Schmeichelei mit gutem Gewissen anbringen kann. In Stuttgart konnte ich keine weiteren Besuche machen, denn das war um Nasts willen billig. Auch mußte ich dem Stistsprediger meine Aufwartung machen.
Lebet Wohl! Euer getreuer E.
Wie ich von Stuttgart heraus an Degerloch vorbeigehe, ruft mir eine Bötin und gibt mir den Brief, der 35 Kreuzer kostete und aus Rom ist^); ich las ihn während dem Gehen und muß sagen, daß er mich gefreut hat. Wirst Du ihn auch lesen können?
5. An Lotte Späth in Stuttgart.
Nürtingen, den 1. April 1827.
Beste Jungfer Lotte!
Ihr letzter Brief an mich ist beinahe voll von dem aufrichtigen und schönen Wunsch einer baldigen Auslösung des irdischen Lebens Ihrer ewig getreuen Freundin; ich darf Ihnen sagen, daß dieser Wunsch schon aus das Seligste, Sanfteste erfüllt war, als ich ihn auf Ihrem Papier las. Ja, es ist geschehen.
Gestern früh Morgens um vier Uhr nach vielfältigen und auch in ihrer schwachen Stimme noch unbeschreiblich wohllautenden Gebeten, Liederversen, traulichen Liebkosungen an ihre Mutter hauchte sie das Letzte aus. In derselben Nacht hatte sie uns noch ausgetragen, wir müßten Ihnen ja sagen, daß sie noch in diesen Augenblicken an ihre „Lotte" denke. — „Bitte Gott," sagte sie zu mir, „daß er's doch mit mir abkürzt!" — So viel wollte ich Ihnen sagen; und noch das: In einer Art von Testament, was sie mir in die Feder dictirte, ist außer einigen anderen aus Sie bezüglichen Bestimmungen auch vorgeschrieben, man ssollej ihr das von „meiner Lotte selbstgesponnene Hemde anziehen". Dies ist bereits geschehen H.
U Süskind.
2) Wilhelm Nast, geb. 1807, Theologe, der nach seinem Ueberlritt zustMethrdiflenkirche in Amerika Glück machte.
Von Waiblinger.
Z Der Brief ist von Mörike's Mutter fortgesetzr.