Heft 
(1894) 82
Seite
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Eduard Mörike.

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Gestern bekam ich einen langen Brief von dem guten Ernsbacher H. Er meint, es müsse sein, daß ich jetzt zu ihm ginge und erwartetes bestimmt. Ich hatte nie so großes Bedürsniß und Lust gehabt sreilich als eben jetzt, aber ich bin eine an­gebundene Ziege. Vor kurzer Zeit war er bei mir hier und schlief bei mir. Auch Mariane 2 ) sah ich endlich und seine sehr liebenswürdige Lisette^).

Nun schreibe mir balde, bald!

Spürst Du nicht auch schon Tübinger Heimweh? Ich wie sehr! Trotzdem, daß es mir hier gut geht. Ich habe mir von dem lieben Blumhardt H die Ge­rüchte ins Detail erzählen lassen, die in Tübingens von meiner hiesigen Lebens­weise, Pädagogik und Pastorale umlaufen. Es ist kein Wort daran wahr. Herr Gott, wie sind die Leute so blind und dumm!

Leb' wohl, bester M.! Ich bin Dein ausrichtiger

E. Möricke.

III.

An den Möhringen Aufenthalt schließt sich das Vicariat bei dem wackern Pfarrer Renz in Köngen (Oberamt Eßlingen) von Mai bis December 1827 an. Hier drängte sich Mörike von Tag zu Tag unabweisbarer die Ueberzeugung auf, daß er für den geistlichen Stand nicht tauge, und er erkämpfte sich von seiner Familie die Erlaubniß, wenigstens zeitweise aus dem Kirchendienst anszu- scheiden und den Versuch zu machen, sich eine anderweitige Existenz zu gründen, lieber diese Verhältnisse geben die Briefe 821 Ausschluß, die übrigens nicht alle zu Köngen geschrieben sind, sondern theilweise an benachbarten Orten, wo Mörike sich vorübergehend befand, einer auch zu Tübingen, wohin er, dem Zuge des Herzens folgend, im September einen kurzen Ausflug unternahm.

8. An Hartlaub.

Köngen, den 25. Mai 1827.

Mein H.

Von Deinem lieben, lieben Brief nachher ich erhielt ihn noch in Möhringen; jetzt aber schreib' ich Dir weder von dort aus noch von Nürtingen noch sonst von einem Dir bekannten Orte aus. Du mußt ihn nachher errathen. Zuerst aber will ich Dir sagen, daß ich das gute Möhringen ganz verlassen habe. Der dortige Pfarrer hatte mich eigentlich nur zu Information seines Sohnes angenommen, mit dessen Abgang in eine Apotheke ich entbehrlich wurde. Ich ging sehr ungern von diesen braven Leuten, und sie ließen mich auch ungern; uns allen stund das Wasser in den Augen. Nun aber bin ich vielleicht besser besorgt als jemals. Es ging mir nur zu geschwinde, ich rechnete auf eine Zwischenzeit von wenigstens vierzehn Tagen, um meinen verlassenen Bruder in Scheer^) und Euch zu besuchen, den Herzens-Bauer nämlich, wo Du dann hättest auch hinkommen müssen. Ach, er hat mir auf meiner Schwester Tod einen solchen Brief geschrieben O, daß ich

Pi Ludwig Bauer.

b) Bauer's Gattin.

Bauer's Schwester.

ch Johann Christoph Blumhardt, geb. 1805, ch 1880, Vorstand einer bekannten Privat- heilaustalt in Voll.

5) Karl Mörike, damals Amtmann zu Scheer in fürstlich Thurn und Taris'schen Diensten, geb. 1797, ß 1847.

Abgedruckt in Bauer's Schriften S. XXXVII.