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Deutsche Rundschau.
ganz gleiche Exemplar von ihr. Die Karte behältst Du zum Gedächtniß au Eduard*) und Urach, das Blumenstück zum Andenken au meine Luise; es ist eine Malerei von ihrer lieben und geschickten Hand aus der schönen Ludwigsburger Zeit -
Leb' wohl! und tausendmal Dank sür Deinen Brief! Mach es sein bald wieder so! Ich bin Dein treuer Eduard M.
Am Sonntag ist Don Juan. Vielleicht seh' ich ihn. Ei, fast hält' ich vergessen, Dir meinen Wohnort doch noch näher zu bezeichnen: bei Pfarrer Renz in Köngen bei Kirchheim.
Ei, das Gedicht auf Urachs) hätt' ich fast vergessen und gehört doch notwendig zur Sache. Es war nicht unmittelbar auf Deinen Geburtstag berechnet, wie Du gleich sehen wirst, ich habe aber viel an Dich denken müssen.
Noch eine kleine Beilage ist die schwarze Gruppe, die ich nach einer Silhouette der berühmten Madame DuttenhoferZ in Stuttgart gemacht habe, schnell, aber getreu. Es ist ein sehr lieblicher Gedanke, soll die Versöhnung zweier Kinder allegorisiren, wovon das eine, das beleidigt hat, sich vor Scham und Reue nicht will trösten lassen. Der Baum scheint eine Olive zu sein. Das Ganze bei so großer Einfachheit, wie alle dergleichen Kompositionen dieser äußerst geistreichen Frau, bewundernswürdig !
9. An Friedrich Kaufsmann.
Ohne Ort und Datum. Der Brief ist zu Köngen am 1. August 1827 oder kurz vorher
geschrieben ^).
Wenn an der Sympathie auch nur ein klein wenig was ist, so mußt Du in der Ferne gespürt haben, wie mich Dein lieber Brief erquickt hat. Er ist ganz ohne Datum (eine Manier, die mein verheiratheter Bruder Ksarls für den Tod nicht ausstehen kann), kommt nur so aus dem Blauen dahergeslogeu, wie ein Sommerfaden. Ich danke Dir, lieber K., Du hast mit diesen paar Zeilen allerlei Bittersüßigkeiten und schöne Sachen aufgeregt. Ich erhielt den Brief in größtem Körper- und Geistesbankrott bei der Heimkunft von einer tour koree nach den herrlichen Reußensteiner Ruinen im Neidlinger Thal. Das ist noch etwas von großem Anblick; ich kann mich aber jetzt nicht darüber herauslafsen, nur das sagen: als ich auf dem ungeheuren spitzigen Felsen stund, über den Abgründen der sonnenscheuen Wälder in die geöffnete Aussicht und in das Meer von Licht und Sommerluft hinausblickte, hie und da einen Weih mit ruhig ausgelegten Schwingen sich der Willkür des Windes überlassen und so in den reinsten Linien aus- und abbeugen sah, als hätte er Lust, seinen eigenen Leib in bloße Luft zerrinnen zu lassen: da hatte ich auch so eine Empfindung von „Was zieht mir das Herz so?"^) — Text und Mariens Stimme abgerechnet. — Höre, sage mir nur! (wie soll ich mich fein ausdrücken?) gibt es denn nun schon keine Marie Lohbauer*) mehr? Das heißt, um Gotteswillen! versteh Er mich nicht krumm! ich frage nicht, ob es außer in Ludwigsburg nicht etwa fonst in der Welt noch etwas derart gäbe, das
0 Hier und auch sonst mitunter steht im Original statt des Namens ein Zeichen, das einem griechischen Psi ähnelt. Mörike hatte nicht nur für sich, sondern auch für seine Geschwister und Freunde derartige Geheimzeichen ersonnen.
2) In Ludwigsburg, wo der Dichter am 8. September 1804 geboren worden, lebte die Familie bis zum Tode des Vaters 1816.
») Gedichte, S. 35.
<0 Luise Duttenhofer (1776—1829). Gattin des bekannten württembergischen Kupferstechers D-
6) Nach dem Poststempel.
0) Vergl. Goethe's Lied „Sehnsucht".
*) Marie Lohbaner aus Ludwigsburg, die Tochter des 1809 bei Jsny gefallenen Hauptmanns und Dichters Karl Philipp Lohbauer, hatte sich im Juli 1828 mit Kauffmann vermählt.
