Heft 
(1894) 82
Seite
53
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Eduard Mörike.

aber sei versichert, daß ich bei unseren bisherigen Unterredungen in dieser Sache, Dir sei es aus augenblicklicher Faulheit, oder weil mir dergleichen gegenseitige rettexiones atttores im Gespräch zuwider sind, oder weil ich sie als bekannt zwischen uns voraussetzte mein Bedürfniß nach einer andern Lage nie in dem Maß habe ausdrücken können und mögen, als es sich mir täglich ausdringt. Ich weiß zu gut, wo es mir fehlt, und es ist, so wahr ich lebe, kein überquerer Einsall, wenn ich mich aus diesen hunderttausend Haken und Häkchen losreißen will, die mich, ost unsichtbar, zerren und zerstreuen und meine bessere Kraft Niederhalten, daß ich mich am Ende selbst nicht mehr kenne. Aber wem sag' ich denn das alles? Es ist, als hätt' ich meinen Onkel vor mir geglaubt. Nun, es ist lamentirt genug. Weißt Du keinen soliden Weg? Wir haben bisher die Stangen im Nebel gehabt und von Revolutionen gesprochen, wie die Burschenschästler, bodenlos. weißt

Du, daß der Stiftler Herrig und Kielmeyer Reißaus genommen haben Griechen­land zu? Das gehört aber nicht daher; wir wollen's bequemer.) Ich wünschte jetzt, mehr als je, aus der Stelle Lei Dir zu sein. Und zu meinem Schrecken fällt mir nun erst ein, daß ganze acht Tage hingehen müssen, bis dazu Hoffnung ist.

Zwei Stunden später.

Merkst's meiner reinen Hand nicht an, daß ich eben von einem seel- und leib­erquickenden Bad herkomme? Ich habe meinen treuen und gescheuten Begleiter, den Pudel, vom Haus, mitgenommen und mich freiwillig der Sträslingsarbeit unter­zogen, sein weißzottiges Fell von Grund aus mit Seife zu waschen. Nachher schmeckte am Ufer an einein köstlich gebüschten Rain eine Pfeife Tabak noch eins so gut, und während der Hund in kannibalischem Wohlbehagen sich im Gras wälzte, las ich in dem gutendeutschen Dichterwald" von Uhland, Kerner n. s. w. unter andern ein kleines Gedicht, wobei mir meine Besuche bei Dir in Tübingen im Beck Bcckischen Logis und überhaupt unser tür niente Leben recht eigens aufs Herz fiel. Ich setze Dir die zwei Verse H her:

Ich und mein Spielmann sind gar gute Brüder!

Wann ich in seine Stube tret',

Setzt er sich nur so ans sein Bett Mit seinein Zitherspiele nieder,

Spielt mir lustige, traurige Lieder,

Daß mir das Herz in der Brust erwacht,

Daß mir der Hauch an den Lippen schmacht.

Er hat ein alt bunt Glas, draus wurden wir Brüder,

Alte Zeichen liegen wie die Würfel umher,

Bücher, Narrheiten, Waffen und Wehr,

Und singt er drüber hin die kecken Lieder,

So lebt und webt das Alles wieder.

Mir ist's ein Traum, daß er nur Ein Fenster hat,

So seh' ich nichts von der neuen Stadt.

Die zwei letzten Zeilen, etwas undeutlich, kann man sich doch gut erklären.

UU. Den Eid weiß ich nicht zu finden, entweder liegt er irgendwo in Nürtingen, oder ich Hab' ihn leider verloren.

Zu Anfang nächster Woche, wahrscheinlich Montag, verreiset mein Herr Pfarrer cm knmiUe aus acht Tage, und ich bin allein Herr im Haus. Nun, nächsten Mittwoch also bestimmt in Kirchheim und zwar Morgens 8 Uhr an Ort und Stelle, Bring den Lichtenberg mit! ich den Masaniello.

Lob eines Spielmanns. Von G. O. H. L. (Graf Otto Heinrich Löben). Deutscher Dichterwald (Tübingen 1818), S. 53.