Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Möglichkeit des Geistes. Ludwig Grimm hat sie oft gezeichnet. Es liegt etwas in ihren Zügen, als habe man ihr früh schon angesehen, daß ein so selb­ständiger, scharfblickender Geist nicht dazu bestimmt sei, sich zu verheirathen. Sie starb in Mersburg am Bodensee. Sie vielleicht stand durch ihre geistige lleber- legenheit von allen den jugendlichen Erscheinungen jener Zeit Jacob und Wil­helm am nächsten.

Viele der Märchen des ersten Bandes tragen die Bemerkung:von Hassenpflug's"; die meisten darunter aber die besondere Bezeichnung:von der Jeanette". Jeanette Hassenpflug war die jüngere Schwester, durchaus anders als Amalie und geistig nicht mit ihr zu vergleichen, aber eine vorzüg­liche Erzählerin und Wiedererzählerin. Die Hassenpslugischen Märchen be­ginnen 1811, die meisten fallen in den Herbst 1812. Von ihnen stammt, bis aus das Ende, das Dortchen wiederum zusetzte:Der König Drosselbart";Schnee­wittchen", aber auch dieses nicht von ihnen allein; ein Theil vonRumpel­stilzchen", zu dem auch Dortchen's ältere Schwester Lisette beisteuerte;Der Teufel mit den drei goldnen Haaren";Der gestiefelte Kater";Herr Korbes" (Hühnchen und Hähnchen), dieses von Jeanette schon 1810 erzählt;Vom Schneider, der bald reich wurde";Blaubart";Hurleburlebutz";Der König mit dem Löwen";Die Schwiegermutter". Die Mutter Hassenpflug war französischen Ursprunges: man bemerke, daßBlaubart" undDer gestiefelte Kater" nach Frankreich weisen. Von den übrigen mit Namen angeführten Kontribuenten zum ersten Theile, die mir zum Theil unbekannt sind, erwähne ich noch August von Haxthausen, Frau Jordis und Achim von Arnim.

Durch die Familie Haxthausen wurden der Sammlung alle die Märchen Wohl zugeführt, deren Ursprung im dritten Theile alsAus dem Pader- bornschen" angegeben ist. Eine Reihe von Brüdern und Schwestern hausten in Bökendorf. Darunter die Mutter der Dichterin Annette von Droste. Die Brüder Grimm waren oft dort, und Ludwig's Skizzenbücher sind erfüllt von Landschaftlichem aus der Gegend und von Porträts, unter denen die der Dorf- und Hausleute und die Hunde eine bedeutende Rolle spielen. August von Haxt­hausen erzählte dasLumpengesindel" den 19. Mai 1812.

Von Frau Jordis wurden die MärchenVon der Frau Füchsin" erzählt, 1812, im Herbste. Sie war die Schwester Bettina's und Clemens Brentano's. Von den Brentano's, aber auch aus Steinau mögen die Märchen stammen, die im dritten Band die Bezeichnung tragen:Aus der Maingegend". Eins der schönsten sandte Arnim:Der Machandelbaum". Er hatte es vom Maler Runge in Hamburg empfangen.Joringel und Jorinde" stammt aus dem Leben Jung Stilling's. Dennoch trat auch hier eine mündliche Erzählung Aus der Schwalmgegend" mit geringen Abweichungen hinzu.

Im Jahre 1815 kam der zweite Band der Märchen heraus. Die Vor­rede ist vom 30. September 1814. In ihr wird nun ein neuer Name ge­nannt: Frau Viehmännin aus Zwehren, einem dicht bei Kassel gelegenen Dorfe, hatte das für den zweiten Theil geleistet, was die Alte Marie am ersten gethan. In der Vorrede heißt es, sie betreffend:Ein guter Zufall war die Bekanntschaft mit einer Bäuerin aus Zwehren, durch welche wir