Heft 
(1894) 82
Seite
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Caterina Sforza.

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Attendoli-Ssorza längst vom Erdboden verschwunden sind, widmet der directe Nachkomme jenes Martins Pasolini, der aus Liebe zu seinem Sohne Pasolino den glühenden Haß der in ihrem Bruder verletzten großen Sippe gegen sich herausbeschworen hatte, einer Frau dieses Hauses ein Werk, das ihren Namen und ihren Ruhm nicht nur auss Neue unter uns beleben, sondern für alle Zeit sestlegen wird.

Mehr als fünfhundert bisher unbekannte Briefe der Madonna da Forli hat Pasolini aus den Archiven und Bibliotheken Italiens, Frankreichs und Englands zusammengebracht und sie und andere zahlreiche Urkunden ganz oder auszugsweise abdrucken, die wichtigsten sacsimiliren lassen. Daneben stehen die sehr umfangreichen Uxpsrimsnti äs la sxMa 8u' Oatsriim äa bUrU, d. h. das Hausbuch der Heldin, in dem sie neben unzähligen anderen Recepten gar viele ihrer Toilettengeheimnisse z. B. a wrs w wem bmneinWinm st bslla st luesnts st eolorita vorsorglich ausgezeichnet hat. Das mit vielen Porträts, Abbildungen von Städten, Festungen und Palästen luxuriös ausgestattete Werk über die schönste Frau des fünfzehnten Jahrhunderts hat der Autor der vornehmsten, liebenswürdigsten und schönsten italienischen Fürstin des neun­zehnten Jahrhunderts, seiner Königin Margherita, mit einer schwungvollen Vorrede gewidmet.

I.

Wohl niemals ist die Allgewalt des Glückes lauter und überzeugter ver­kündet worden, als in dem Renaissancezeitalter Italiens. Bei keinem Triumph­zuge sieggekrönter Herrscher durfte die Gestalt der Fortuna fehlen. In zahl­reichen Schriften über den Glückswechsel weisen die ersten Schriftsteller an un­zähligen Beispielen nach, welche Macht die Fortuna aus die Geschicke der Menschen ausübe. Der scharfsinnigste Beobachter, Erforscher und Analytiker des Ablaufs des Lebens der Staaten wie der Individuen bekennt sich zum Satze, daß nur die Hälfte des Erfolges der Menschen von ihren Thaten, der Rest von dem Glücke abhängig sei. Ein anderes Mal geht N. Macchiavelli so weit, zu behaupten, daß die Fortuna der Welt habe zeigen wollen, daß sie, und nicht die Klugheit, den Menschen groß mache. Dieser Glaube an die Macht des Glückes mußte sich den Menschen aufdrängen, wenn sie sahen, wie Viele unter ihnen sich rasch und sicher aus den untergeordnetesten Stellungen an die Spitze von Staaten emporschwangen, sei es als Führer von Söldner­hausen, sei es als Nepoten von Päpsten oder als Liebhaber von Königinnen von Neapel. Aber eben so häufig sahen sie auch, welch jähem Wechsel die Geschicke kluger und tapferer Menschen unterworfen waren; wie Die, welche sich heute noch im Glanze fürstlicher Allgewalt sonnten und die Geschicke Italiens in ihren Händen zu halten glaubten, von Einem Schlage getroffen zu Boden lagen und Macht und Leben verloren. Das mußte um so stärker auf die Phantasie des leicht erregbaren Volkes wirken, als die bis dahin die Geister und Herzen der Menschen bindenden religiösen Vorstellungen, durch wieder auslebende heidnische Ideen und durch das Treiben an der Curie des Stell­vertreters Gottes aus Erden den besten Theil ihres Einflusses aus die Volksseele