Heft 
(1894) 82
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Caterina Sforza.

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fürstlichen Glanzes doch nicht fähig waren, ihren Geschlechtern eine dauernde Herrschaft zu gründen. Denn schon der Sohn Francesco's, Galeazzo Maria (146876), verlor in einem Augenblick Herrschaft und Leben. Von antikem Tyrannenhaß erfüllte Jünglinge erstachen ihn am 26. December 1476 in der Kirche St. Stefano meuchlings, als der Kirchenchor eben den Hymnus 8ie transll Aloria munäi intonirt hatte. Galeazzo Maria war ein stattlicher, schöner Mann, als er, zweiunddreißig Jahre alt, dem Mordstahl erlag. Das Geschlecht der Sforza zeigte sich aber doch schon in ihm degenerirt.

Man traute dem als Kind engelgleichen Enkel des scheußlichen Tyrannen Filippo Maria Visconti zu, daß er seine Braut und Mutter durch Gift habe aus der Welt schaffen lassen. Seine Thaten in Mailand widersprachen die­sem Verdacht nicht. Seine fromme Frau Bona von Savoyen hatte ihn schon 1474 zu einer Generalamnestie gegen unzählige Gefangene und Verfolgte zu bestimmen gewußt. Aber in schweren Träumen stand ihr doch das gewaltsame Ende des Vaters ihrer fünf Kinder vor der Seele, und sie wollte ihn nicht seinen letzten Gang antreten lassen. Hatte er doch auch einen Astrologen, der so unvorsichtig gewesen war, ihm zu verkünden, daß er nicht elf Jahre regieren werde, mit kärglichen Lebensmitteln versehen, in einen Brunnen Wersen und in ihm verkommen lassen!

Das war der Vater der Caterina Sforza, von der wir zu erzählen haben. Ihre Mutter war aber nicht die fromme Bona von Savoyen, sie war vielmehr die Frucht einer ersten Liebe ihres Vaters mit der schönen Lucrezia Landriani, der Frau eines Hofbeamten des Herzogs. Dieser legitimirte seine um 1463 zu Pavia oder Mailand geborene Lieblingstochter und sorgte für deren Erziehung. Aus einem Briese, den der Vater an seine Mutter Bianca Maria Visconti aus dem Feldlager gegen die Venetianer richtete, erfahren wir zuerst etwas von dem fünfjährigen Kinde. Es war erkrankt, und deshalb waren zwei Couriere an den besorgten Vater abgeschickt worden. Der Unterricht des genesenen, leb­haften Mädchens, das die Gemahlin des Herzogs adoptirt hatte, ruhte in den Händen von humanistisch gebildeten Gelehrten, mit denen sich der Herzog gern umgab. Er war, nach der Sitte der Zeit, dem der Knaben ganz gleich. Caterina empfing daher ihre erste Unterweisung auch mit ihren Brüdern Carlo und Aleffandro. Die humanistische Bildung hat bei ihr jedoch keine so tiefen Wurzeln geschlagen, wie bei anderen vornehmen Damen ihrer Zeit. Ihr Sinn war mehr auf praktisches Thun, auf häusliche Arbeiten, wie auf ritter­liche Hebungen gerichtet. Nicht unter Büchern, sondern da, wo die Fahnen wehten und die Kriegstrompeten erklangen, wo das Jagdhorn ertönte und Falken in die Lüste stiegen, fühlte sich die Urenkelin des Giacomuzzo Atten- dolo am wohlsten. Schon frühe hatte sie auch ihr Vater mit dem Grasen Onorato di Marcantonio Torelli, dem Generalcapitän seiner Streitkräfte, ver­lobt. Der frühe Tod dieses Bräutigams machte ihre Hand aber bald wieder frei, und der Herzog suchte dem Kinde einen neuen Verlobten, welcher sie zu höheren, gefahrvolleren Ehren führen sollte.

Es gehört zu den vielen Widersprüchen, in denen sich in dieser an Kontrasten so reichen Zeit die höheren Stände Italiens bewegten, daß, während einerseits