Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

die Heiligkeit der Ehe, wenigstens bei den Männern, auf ein Minimum herabgesunken war, und der Unterschied legitimer und illegitimer Nachkommen­schaft fast zu einem fließenden geworden war, man doch einen hohen Werth aus die Abschließung von vornehmen Eheverbindungen legte und durch ein so precär gewordenes Institut der eigenen precären Existenz einen sestern Halt zu geben trachtete. Ganz in der Grundrichtung der Zeit, und Wohl auch des italienischen Volksgeistes überhaupt, wurden die Banden des Blutes für stärkere angesehen als die, durch welche die Sitte und die Kirche die Menschen zusammenhält. Es kam den Emporkömmlingen aber nicht darauf an, ihren jungen Stammbaum durch eine Verbindung mit einem alten, vornehmen Ge­schlechts zu veredeln, sondern nur sich einen Machtzuwachs zu verschaffen, der den drohenden Gefahren von heute aus morgen wenigstens Etwas von ihrem Schrecken nehmen könne und dem Uebelwollen der Fortuna ein Hemmniß zu bereiten im Stande sei.

Deshalb war auch der mächtige Herzog von Mailand daraus bedacht, seine Familie mit einem Nepoten des aus unterster Schicht heraufgestiegenen Papstes Sixtus' IV. zu verbinden. Er hatte dazu die Tochter Corrado Fogliani's, des Stiefbruders seines Vaters Francesco aus der kirchlichen Ehe von dessen Mutter, und dessen Frau, einer natürlichen Tochter Lodovico Gonzaga's von Mantua bestimmt. Schon 1472 war das elfjährige Kind mit Girolamo Riario ver­lobt worden. Als aber der päpstliche Nepot fürchtete, diese Beute könne ihm entgehen, und auf Auslieferung der Braut drang, da widersetzte sich denn doch die Mutter Jsabella Gonzaga, und alle Drohungen des Herzogs vermochten nicht ihren Willen umzustimmen. Der Nepot des Papstes mochte darin nur ein abgekartetes Spiel erkennen und bedrohte nun den Herzog mit dem Zorn des Papstes. Um diesem auszuweichen und den allmächtigen Nepoten mit dem Geschicke seines Hauses aufs unzertrennlichste zu verbinden, entschloß sich der Herzog, dem Manne, der Cesare Borgia nur an Muth und Thatkraft, aber nicht an Frevelsinn nachstand, seine geliebte Caterina zum Ersätze zu geben. Ohne irgend ein Gewissensbedenken verlobte im Februar 1473 der Vater sein zehnjähriges schönes Kindmit Ring und Kuß" dem Wüstling, und der Papst beeilte sich, durch eine Bulle vom 26. Februar 1473 alle bei dieser Neu­verlobung seines Nepoten vorgekommenen Unregelmäßigkeiten zu sanctioniren und die an ihnen betheiligten Personen von den legalen und canonischen Strafen zu entbinden.

Die Würfel über die Lebensgeschicke des unschuldigen Kindes waren da­mit gefallen. Sein Leben war von da an unlöslich gekettet an die eines elenden Nepoten eines unwürdigen Papstes.

II.

Papst Sixtus IV., heutigen Tages der Welt vorzugsweise in Erinnerung durch die Gründung der Sixtinischen Kapelle, war 1414 als der Sohn eines Fischers Lionardo Rovere in Savona geboren. Seine Mutter, durch einen Traum bestimmt, hatte gelobt, das Kind, welches sie gebären sollte, in den Orden des h. Franz treten zu lassen. Geweckten Geistes, scharfsinnig und ener-