Heft 
(1894) 82
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Caterina Sforza.

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Städten, die Gunstbezeugungen, die deren Bürger empfangen, konnten dem Herrscherpaar so wenig die Ergebenheit ihrer Unterthanen sichern, als die demonstrative Theilnahme an Processionen und kirchlichen Feierlichkeiten, die die erneuerten Zeichen des göttlichen Zornes fern halten sollte. Wie hätte die Anregung zur Feier an solchen Ceremonien auch ein Band um Herrschaft und Unterthanen schlingen können, wenn diese sahen, wie jene ohne allen sitt­lichen Halt, allen Lastern ergeben, ohne Treue und Glauben nur selbst­süchtigsten Zwecken mit allen Mitteln nachstrebten! Die Ablösung aller wahrhaft religiösen Scheu und jeglichen sittlichen Glaubens von den Ceremonien der Kirche, in denen das ganze Gebäude der Hierarchie erstarrt war, ist Wohl zu keiner Zeit und unter keinem Volke größer gewesen, als damals unter den Bewohnern des Kirchenstaates. Die Curie selbst mit ihrem Anhänge hat durch ihre Thaten den Gegensatz von sittlichem Rechte und kirchlicher Praxis, von christlicher Frömmigkeit und papaler Orthodoxie der Welt mehr zum Be­wußtsein gebracht, als alle Werke neuheidnischer Verehrer des Alterthums, als alle Abhandlungen ihrer erbittertsten Feinde. Die um jedes sittliche Em­pfinden unbekümmerten Erwägungen der Curie, die nur dogmatische und kirchenrechtliche Fragen soweit berücksichtigten, als sie Machtfragen in sich ein­schlossen, haben sie nicht die festesten Bausteine zu einem politischen Systeme geliefert, für das jeder religiöse Glaube an sich zwar gleichgültig ist, und nur als Mittel zu rein weltlichen Zwecken von Bedeutung bleibt? Ohne einen solchen verruchten Gesellen, wie seinen Neffen Girolamo, konnte der nach seiner Ueberzeugung gewiß orthodoxe Papst schon nicht mehr existiren. Er berief ihn daher aus der Romagna zurück. Auch um die Auslösung seiner Herrschaft im Kirchenstaate aufzuhalten, glaubte er ihn nöthig zu haben. Oder war etwa auch Sehnsucht nach der nipots santwsima dabei betheiligt? Wer kennt die Geheimnisse der Brust eines Sixtus IV.? Gewiß, die Welt, welche damals unerhörte Dinge sich vor ihren Augen vollziehen sah, war bereit und geneigt, überall das Schlimmste zu wittern, und die Geschichtschreiber jener Tage mögen in Haß und Verleumdung das Menschenmögliche geleistet haben. Aber es bleibt doch so viel Haarsträubendes als geschichtlich sicher bezeugt übrig, daß man in vielen Fällen heutigen Tages nur schwer die Grenze von Wahrheit und Erfindung seststellen kann. Die Versuche, das Leben eines Sixtus IV. rein zu brennen, indem man alle Schuld aus die Schultern eines Nepoten abladet, müssen als gänzlich gescheitert abgelehnt werden. Sixtus IV. bleibt der Papst ohne Gewissen und ohne Religion", mit dem das Zeitalter des Verderbens begann, wie der Cardinal Egidio von Viterbo von ihm aussagt. Daß er es als eine Beleidigung empfand, wenn ein Maler auf einem Bilde der Be­lagerung Caves durch das päpstliche Heer eine Frau mit einem Franciscauer Mönche angebracht hatte, und er den Maler deshalb furchtbar abstrafen ließ, ja ihn durchaus aufhängen lassen wollte, mag uns nur verrathen, wessen man ihn für fähig hielt H. Und wie hätte man einen Papst, der um seines nichts-

y Intessnra 6(1. 4'ommasini, S. 147.