Heft 
(1894) 82
Seite
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Am Haremsbrunnen.

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aufzuklären. Ganz erfüllt von den Begegnungen mit feinen Glaubensgenoffen, den zahlreichen Köchen, Lakaien, Haremswächtern und Kutschern der Sommer­residenz, hatte er jedoch allein Sinn und Interesse für die großen Herren in ihren wohlverwahrten Gärten und für das unter der Dienerschaft umgehende Geklätsch. Nur mit Geringschätzung und bei Gelegenheit eines über dem allzu lebhaften Gedankenaustausch vergessenen Gemüfekanfs gedachte er unseres nächsten Nachbarn, eines alten Italieners, der in einer niedrigen Garten­wohnung dicht an unserer Hofmauer hauste und mit den Erzeugnissen seines Obstgartens ihm schon manches Mal bereitwillig ausgeholfen.Ein Geizhals und Sonderling, der trotz beträchtlichen Vermögens Winter und Sommer auf dem Lande lebe, mit zwei Pfennigen den Tag zu Wirtschaften wisse, dazu nicht Weib noch Kind habe, zum dereinstigen Beerben".

Diese Charakteristik aus dem Munde unseres schwarzen Kochs hatte einige Neugier erweckt, das Original kennen zu lernen, das sich für immer hier in die Einsamkeit verbannt.

Aus dem nächsten Abendspaziergange sahen wir uns nach dem Gartenhause um und entdeckten es in nächster Nähe unseres Thores, wo es dem der arabischen Bauart noch unkundigen Blick als eine niedrige Mauer erschienen war. Der Besitzer des Häuschens saß neben einer schönen Frau aus der steinernen Bank vor der Thüre. Er grüßte freundlich, als es unserer Eselin beifiel, eine an seiner Schwelle wachsende Distel auszuraufen. Und da er heiter und nichts weniger als menschenfeindlich erschien, so wurde mit einigen Bemerkungen über Wind und Wetter die Bekanntschaft eingeleitet. Der Alte zeigte sich lebhaft und gut unterrichtet. In Allem, was Kenntniß von Landessitte und Be­wohnern betraf, wußte er aufs beste Auskunft zu ertheilen. Und mit der ersten, im friedlichen Gespräch mit Erinnerungen an Alt-Tunis und seine goldenen Zeiten verplauderten Abendstunde ward ein nachbarlicher Verkehr an­gebahnt, der uns bald zur täglichen Gewohnheit geworden.

Signor Pietro Malatesta war ein schlanker Mann, mit für seine sechzig Jahre noch jugendlichem Aeußern, das in keiner Weise an den eingefleischten Geizhals oder Sonderling erinnerte, als welchen ihn unseres Salem scharfe Zunge gemalt. Ein Geizhals vor Allem konnte Signor Pietro nicht sein, hatte er doch in seiner einsamen Jnnggesellenwohnung einer befreundeten Familie Obdach geboten. Ein Sonderling vielleicht, denn seit nun schon fünfzehn Jahren lebte er, obgleich einst Besitzer eines einträglichen Juwelierladens in der Goldschmidtgasse von Tunis, zurückgezogen aus dem Lande in seinem Obst­garten einzig und allein der Pflege einer Baumschule, die er selber angelegt.

Die Halste seines Gartenhauses hatte er der Familie Said überlassen. Diese bestand aus der schwarzäugigen Signora Maria, die wir bei unserer ersten Begegnung an seiner Seite gesehen, einer Malteserin mit starken Gliedern und bräunlichem Madonnengesicht, und ihrem Gatten Michele, sowie den drei Kindern des Paares. Der magere Michele, Mechanicus von Pro­session, erhielt die Seinen mit allerlei Arbeiten in den Schlössern der Um­gegend, wenn er nicht, wie es nur zu oft geschah, taumelnd heimkehrte, um im Hinterstübchen einen Rausch auszuschlasen. Den Haushalt für beide Theile besorgte die Signora. Sie wußte sich und die drei wohlgerathenen