128
Deutsche Rundschau.
Kinder stets sauber zu kleiden, Haus und Küche auss Beste zu verwalten. Wenn sie im dunkeln Kleide, die schwarze Faldetta über ihr glänzendes Haar gelegt, sich nach der Stadt ausmachte, gab sie in Haltung und Erscheinung der ehrsamsten und behäbigsten Bürgerssrau nichts nach. Von den Kindern waren die beiden ältesten, Alfredo und Matilde, in Tunis bei Verwandten zur Kost, um die Schule daselbst besuchen zu können. Sie verbrachten nur die freien Sommermonate in Marsa, Alfredo zumeist aus einem niedrigen Esel über die karthagische Ebene streifend, Matilde der Mutter im Haus und Garten behülflich. Nur das Jüngste, die dreijährige Teresa, war der Eltern Gesellschaft, dazu Signor Pietro's Liebling und Pathenkind.
Die Gartenwohnung bot, wenn man die eisenbeschlagene Eingangsthür geöffnet, einen überaus freundlichen Eindruck. Drei schmale Stuben mündeten aus den Hellen Jnnenhof, dem ein Orangenbaum in der Mitte Schatten spendete. Hinter dem Haus breitete sich der weitläufige Garten aus, mit der wohlgepflegten Pflanzung junger Pfirsich-, Aprikosen- und Granatbäume. Im Grunde desselben war der Brunnen angelegt, mit Schöpsrad, vom Esel gedreht, und Röhren zur Bewässerung des Gartens. Zur Rechten des Brunnens lag, Wohl noch von einem maurischen Besitzer herstammend, das Frauenbad, die ummauerte „Djabia," ein von dem Brunnen gespeistes erhöhtes Bassin. Um die Badestelle der Schönen vor neugierigen Blicken zu schützen, hatte der arabische Erbauer einen Weinstock hart an den Rand des Beckens gepflanzt. Und jetzt, nach Jahren, wo längst die Haremsdamen verschwunden, die einst in Gold und Seide, wahrscheinlich von unserem Palaste aus, den Weg zum Brunnen betreten, war der Weinstock in üppigster Fülle zum Blätterdache angewachsen, das tief, fast bis auf den Wasserspiegel gesenkt, wie ein Riesenschirm mit gewaltigen Armen die heimliche Stätte vor ungeweihtem Auge deckte.
Hier pflegte Signora Maria im Kreise der Kinder den Abend zu verbringen, Signor Pietro sein Pfeifchen zu rauchen, während der magere Michele in irgend einer gluthheißen Weinstube am Hafen von Goletta mit Matrosen um die Wette zechte. Hierher, an den Haremsbrunnen, lockte es auch uns, wenn es drüben gar zu einsam geworden, wenn die Cicaden ihr zirpendes Lied zu schlagen begonnen, wenn im Dorfe die Trompeter des Beh vor den Fenstern der Frauen bliesen, und der Seewind abgerissene Sätze der melancholischen Musik in der Abendlust zu uns herüber trug.
Es ist acht Uhr. Die Signora hat im Becken gebadet und trocknet, auf dem Mäuerlein sitzend, ihr langes Haar. Teresa und Matilde kauern zu ihren Füßen. Alfredo liegt auf dem Vrunnenrande, lang ausgestreckt, den Kops zwischen den Händen, und äfft sein Bild im Wasser, das unter dem Kranz von Weinlaub den bräunlichen Knaben wie einen jugendlichen „Bacchus an der Quelle" widerspiegelt. Signor Pietro hat vorhin die ersten Feigen im Garten gepflückt, jene zuckersüßen grünen Früchte mit dem gelblich-weißen Innern, die der Sommerseige um einen Monat voran gehen. Er bietet sie grüßend an und wirft einen zufriedenen Blick aus die säuselnden Fruchtbäume. Die Abendfrische hat ihn heiter gestimmt, nachdem er Tags für seine Pfleglinge gefürchtet. In den Rinnen zwischen den Obstbäumen rieselt das