Am Haremsbrunnen.
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Verließ ihn und ging in ein Seitengemach, dessen Thür er sorglich hinter sich verschloß.
Dem Hamal, der doch sein Lebtag fremde Häuser genug betreten, ward auf einmal sonderbar zu Muthe. Keine Seele regte sich im Hose. Kein Laut war zu vernehmen von Pantoffelklappern, von Kichern, Flüstern oder Gewänder- rascheln, mit dem sonst das neugierige arabische Weibervolk seine Nähe zu ver- rathen Pflegt. Alles blieb todtenstill. Neugierig schob er den Zipfel des Burnus in die Höhe und blickte verstohlen umher. Der Hof war leer, die Thüren der Gemächer rings angelehnt. Schon wollte er sich ruhig in ein Eckchen kauern, um auf die versprochene Last zu warten, da öffnete ein plötzlicher Zugwind die nächste Kammerthür, und was er vor sich sah, machte sein Blut vor Entsetzen erstarren. Auf dem Kachelfußboden, der mit Blut getränkt, lagen drei Kinderleichen, die abgeschnittenen Köpfe und das mörderische Messer daneben, und in einem.Häufchen in der Ecke des Gemaches waren die Kleider und Schuhe der armen Kleinen zusammengeworfen, an denen sich erkennen ließ, daß sie Christenkindern angehört. Todesangst erfaßte den Hamal. Im Nu, auf nackten Sohlen, lautlos, die Pantoffeln im Stiche lassend, eilte er dem Ausgange zu und floh durch die leeren Gemächer nach der Hausthür. Aber dort angelangt, fand er sie dreifach verschlossen und verriegelt. Zitternd, mit bebenden Knieen, glaubte er sein letztes Stündlein gekommen. Und in seinem wild erregten Hirn dämmerte die Erinnerung auf an seine Kinderzeit, wo es in der Stadt geheißen, Bu Kluba gehe um und morde Christenkinder. Schon wollte er an der verschlossenen Thüre rütteln und um Hülfe schreien, da entdeckte sein Blick ein Seitenthürchen zur linken des Eingangs. Es war nur angelehnt. So lautlos, wie er gekommen, floh Si Salah durch dasselbe, irrte durch Corridore und Gänge, bis er eine Treppe fand, die zum Dache führte. Er sprang in schnellen Sätzen hinauf. Kaum oben angelangt, hörte er den Fremden im Hose die Thür öffnen und nach ihm rufen. Da kannte seine Furcht keine Grenzen mehr. Trotz seines Alters kletterte er ein Mäuerchen hinaus, welches das Dach des Nachbarhauses von dem des Fremdlings trennte. Noch ein Satz, und er war drüben.
Hier auf dem Nachbardache genossen die arabischen Weiber plaudernd und lachend die Abendfrische. Wie die Gestalt des Hamals ihnen sichtbar ward und er mit angstverstörten Zügen, winkend und Zeichen machend, auf sie zueilte, da gab es ein lautes Geschrei und Auseinanderstieben, das den Herrn des Hauses herbeilockte. Voll Wuth und Entrüstung ging dieser mit dem Stocke auf den fremden Mann los, der seinen Harem entweiht und der arme Si Salah mußte erst eine derbe Tracht Schläge über sich ergehen lassen, ehe er sich endlich hörbar machen und sein grausiges Erlebniß kund thun konnte.
Der Hausherr war nicht wenig entsetzt ob der Geschichte. Bebend ging er nach der Hausthür, zu sehen, ob sie Wohl verriegelt, lud die Flinte und legte den Kettenhund aufs Dach. Dann sprach er zum Hamal:
„Bleibe über Nacht, Bruder Salah. Ich habe dir Unrecht gethan. Der Bu Kluba möchte dir auflauern und in der Dunkelheit dich morden. Morgen in aller Frühe wollen wir ausgehen und die Polizei holen, damit sie den Mörder