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Deutsche Rundschau.
in Ketten lege. Denn sind es auch die Kinder der Ungläubigen, im Koran steht geschrieben: „Tödtet keinen Menschen es sei denn mit gutem Rechte."
So blieb der Hamal über die Nacht, nachdem er mit dem Gastgeber das Abendessen getheilt. Doch konnte weder der Eine noch der Andere die Nacht ein Auge schließen. Der Hund auf dem Dache heulte, als sei es im Nachbarhause nicht geheuer. Auch schien es ihnen, als vernähmen sie Pochen und Gehen und Schlüsselrasseln drüben.
Am andern Morgen in der Frühe machten die Beiden sich auf nach den Sapti's oder Polizeidienern des Beh. Wie der Oberste von ihnen die Geschichte hörte, lächelte er ungläubig, versprach jedoch, seine Leute zu senden. Doch die Sapti's sind langsamer als die Schnecken. Als sie den Abend mit Flinten und Säbeln ans Thor des verrufenen Hauses kamen, da fanden sie davor einen Bürger der Stadt sitzen, der auf ihr Befragen mittheilte, der Miether, ein Fremdling aus der Türkei, sei früh mit seinen Bündeln abgezogen, nachdem er gut bezahlt, und drinnen sei nichts Verdächtiges zu finden. So zogen auch sie ab, wie sie gekommen.
Der arme Hamal aber bestand auf der Wahrheit dessen, was er erzählt, und da er ein Ehrenmann war und in seinem Viertel wohlbekannt, so zweifelte Niemand an ihm. Durch ihn ward die grausige That ruchbar, und aus seinem eigenen Munde hat sie mancher von meinen Bekannten vernommen. Das allgemeine Entsetzen war um so größer, als dazumal im Malteserviertel mehrere Kinder verschwanden, ohne daß man sie je wieder gesunden hätte. Das erste Mal hatte man sich beruhigt, in der Vermnthung, das Kind sei in einem der Brunnen aus den Nachbarhöfen ertrunken. Als aber ein zweites und drittes Kind auf gleich unerklärliche Weise abhanden gekommen, da gab es eine große Aufregung im Viertel. Die Mütter hielten ihre Kleinen zu Haufe oder hüteten sie sorgsam, sobald sie auf die Straße kamen.
Alte Leute wußten die Richtigkeit von Si Salah's Vermuthung zu bestätigen. Sie entsannen sich gleich ihm, vor vielen Jahren von einem ähnlichen Verbrechen gehört zu haben, und nannten den unbekannten Mörder „Bu Kluba". Er fei aber ein Muselmann und von den Türken ausgesandt, Christenkinder zu fangen, zu tödten und ihr Blut nach Constantinopel heimzubringen, um die Schwerter der Ungläubigen damit zu tränken und sie siegreich zu machen im Kampf gegen die Christen. — Das ist die Geschichte vom Bu Kluba, und für ihre Wahrheit kann ich manchen Zeugen aufrufen."
Signora Maria schweigt, auf dem Hofe des Bey blasen die Trompeter noch immer vor den Fenstern der Frauen. Im Grase zirpen die Cicaden. Es ist so dunkel geworden, daß über dem Erzählen eine Pharaoratte, mit ihren Jungen auf dem Rücken, sich bis an die Brunnenmauer gewagt hat. Sie huscht davon, als der Alte sein Pfeifchen ausklopft:
„Uasta eosU und „telies notts".
Während Maria ihre schlafende Teresa ins Haus trägt, muß uns Alfredo die wenigen Schritte bis ans Gartenthor geleiten. Denn was wir am Haremsbrunnen vom Bu Kluba im grauen Mantel gehört, hat uns große Kinder, trotz der warmen Nachtluft, leise erschauern machen.