Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Arbeitsamt für keinen der beiden Teile thätig sein dürfe. Die Bewilligung dieser Forderung würde heißen: daß unter dem Scheine der Unparteilichkeit das Arbeits­amt thatfächlich für die Streikenden Partei ergreife. An diesemStreikparagraphen" ist z. B. der communale Arbeitsnachweis in Braunschweig gescheitert. Aber der­artige Schwierigkeiten tauchen immer auf, wo zwischen den streitenden Factoren eine autoritäre Gewalt sich einschieben soll. Hier besteht die Weisheit nicht im ängstlichen Fliehen jeder neuen Einrichtung, sondern im muthigen und besonnenen Weiterentwickeln. Schon ist es gelungen, an einzelnen Orten beide Theile für einen Mittelweg zu gewinnen: beim Ausbruch eines Streiks soll das Arbeitsamt sich immer gegen den Theil erklären, welcher sich weigert, sich einem Schiedsspruch des Gewerbegerichts zu unterwerfen. Allerdings ist die Furcht, daß ein gut orga- nisirter communaler Arbeitsnachweis auswärtige Arbeiter in unerwünschtem Maße anlocken werde, berechtigt. Aber diese Befürchtung darf nur Anlaß sein, den Ar­beitsnachweis regelrecht über das ganze Land hin auszudehnen. Anregungen dazu sind in Württemberg und neuerdings auch im Herzogthum Braunschweig gegeben worden. Wenn die Communen so in statistischer Erforschung und praktischer Vermittelung thätig sind, so wird die Berücksichtigung socialpolitischer Gesichts­punkte in der eigenen gewerblichen Thätigkeit der Communen bald ebenso sach­kundig, warmherzig und allgemein werden, wie sie heute noch ungeschickt, kühl und vereinzelt auitritt.