Heft 
(1894) 82
Seite
143
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Politische Rundschau. 143

dafür ablegen, wie ersprießlich gerade die Einrichtung der Militärattaches zu wirken tiermag. Nomiuisss snvat!

Hätten die in Betracht kommenden Pariser Blätter sich auf akademische Er­örterungen über die Einrichtung selbst beschränkt, so hätten sie diesen Faden un­gestört sortspinnen können; allein die unmittelbaren Anschuldigungen gegen Mit­glieder der deutschen Botschaft nöthigten zu einer Abwehr. Insbesondere war es der militärische Mitarbeiter desFigaro", der in einemI/o^ionnag-o olllllairo" über- schriebenen Artikel in ziemlich unverhüllter Form die Person des französischen Kriegs­ministers, General Mercier, in die Angelegenheit hineinzog. Mit diesem hatte er, wie er später versicherte, eine länger als anderthalb Stunden währende Unterredung, und ihm schrieb er im Hinblick aus die Verhaftung des Kapitäns Dreyfus die wörtlich angeführte Aeußerung zu:Ich habe dem Conseilpräsidenten und meinen Kollegen die erdrückenden Berichte unterbreitet, die mir mitgetheilt worden waren, und ohne jedes Zögern ist die Verhaftung des Kapitäns Dreyfus angeordnet worden. Man hat in dieser Hinsicht viel Unrichtiges geschrieben; insbesondere hat man behauptet, Capitän Dreyfus habe der italienischen Regierung geheime Acten- stücke angeboten. Dies ist ein Jrrthum. Es ist mir nicht gestattet, mehr darüber zu sagen, da die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Alles, was man wieder­holen kann, ist, daß die Schuld dieses Officiers durchaus gewiß ist." Unmittelbar daran knüpfte der Gewährsmann desFigaro" die Versicherung, im großen franzö­sischen Generalstabe wisse man seit mehr als drei Jahren, daß Dreyfus mit den Agenten einer fremden Regierung in Beziehungen stände, die weder die italienische noch die österreichisch-ungarische wäre.

An Deutlichkeit ließen diese nach einer mehr als anderthalbstündigen Unterhaltung mit dem Kriegsminister, General Mercier, gemachten angeblichen Enthüllungen nichts zu wünschen übrig. Es konnte daher nicht überraschen, daß der deutsche Botschafter in Paris, Graf Münster, Veranlassung nahm, die Angelegenheit bei einer Unterredung mit dem französischen Minister des Auswärtigen, Hanotaux, ernsthast zur Erörterung zu bringen, und dieser verfehlte nicht, in Folge der er­hobenen Beschwerde, sein Bedauern über den Vorgang auszudrücken. Vergebens haben einige Pariser Blätter die Bedeutung der Beschwerde des deutschen Bot­schafters sowie der vom Minister des Auswärtigen, Hanotaux, abgegebenen Er­klärung abzuschwächen gesucht. Der Hinweis, daß die Presse in Frankreich frei sei, konnte jedenfalls nicht ausreichend erscheinen, die vom Grafen Münster geltend gemachten Gesichtspunkte zu entkräften; war doch eben der französische Kriegs­minister, General Mercier, selbst redend eingesührt worden, so daß es diesem und der Regierung, der er angehört, oblag, mit einem bündigen Dementi nicht zurück­zuhalten. ImTemps" wurde allerdings eine Richtigstellung veröffentlicht; diese bezog sich aber überwiegend nur auf einen untergeordneten Punkt in den Angaben desFigaro", der, charakteristisch genug, später selbst die französische Presse vor ähnlichen Unvorsichtigkeiten gewarnt hat, wie er sie sich hatte zu Schulden kommen lassen.

An einer ausreichenden Erklärung für das Verhalten des Kriegsministers in dieser Angelegenheit fehlte es jedenfalls; oder man müßte sie darin suchen, daß General Mercier, dessen Stellung durch sein Vorgehen bei den ersten Parlamen­tarischen Verhandlungen über die für die Madagaskar-Expedition geforderten Kre­dite gefährdet Zu sein schien, durch einepatriotische" Ablenkung das verlorene Terrain wiedergewinnen wollte. Obgleich von Anfang an seststand, daß sowohl der Senat als auch die Deputirtenkammer die für diese Expedition erforderlichen Kredite mit großer Stimmenmehrheit genehmigen würde, herrschte in den parla­mentarischen Kreisen doch die Auffassung vor, daß die nach Madagaskar zu ent­sendenden Streitkräste ausschließlich den Colonialtruppen entnommen werden müßten. In der Kammer wurde es daher gerügt, als die Absicht des Kriegsministers be- kannr wurde, auch Bataillone der französischen Landarmee dem Expeditionscorps