Heft 
(1894) 82
Seite
150
Einzelbild herunterladen

150 Deutsche Rundschau.

wahr sein, was mir der Großherzog gesagt hat, daß er erst jetzt ganz zum Greise geworden ist."

Das tragische Jahr 1888 breitet auch über diese Briese seinen Trauerflor. Gregorovius hatte den Kronprinz Friedrich noch in seiner vollen Kraft und Gesund­heit gekannt, und zuletzt bei der Leichenfeier für Ludwig II. in München (1886) hinter dem Sarge,welcher den unglücklichsten der Könige barg", schreiten sehen, das Abbild schöner, edler Männlichkeit, mit dem Marschallstab in der Hand, dem Symbol eines thatenreichen Lebens". Nicht volle zwei Jahre später, am Jdus des Märzen, sieht er den Zug vorübersahren, welcher den kranken Friedrich III. aus dem fernen Süden in die winterliche Heimath trägtnie hat ein ähnlicher Eisenbahnzug sich durch die Länder sortbewegt. Der Tod schien ihn zu führen, und jetzt hat der große Augenblick dem Sterbenden tausendfache Lebenskraft verliehen." Gregorovius freut sich, daß es dem edlen Dulder noch vergönnt gewesen,seinen Namen in die Reihe der deutschen Kaiser einzuzeichnen", und wie ein Lichtschimmer des scheidenden Jahres erscheint ihm die Romsahrt, mit welcher der jugendliche Hadrian", dersie als Apostel des Friedens unternimmt", die Reihe seiner historischen Visiten" beginnt. Wie würde der Freund in Berlin, zu der Zeit, wo er als Gesandter Preußens in summo Eapitolio saß, den sibyllinischen Propheten genannt haben, der ihm geweissagt hätte,daß im October 1888 ein junger Prinz des Hauses Hohenzollern, schon als dritter Kaiser Deutschlands, unter dem Jubel des 8. k. (). H. in die ewige Stadt einziehen werde!"

Nicht viel über ein Jahr später starb Herr von Thile nach einem langen Leben, in welchem er dem Vaterlande treu gedient und nicht ausgehört hatte, für Anregungen des Geistes empfänglich zu sein. Unter dem ersten Eindruck des Schmerzes über den Hingang des Freundes schreibt Gregorovius aus Rom an die Hinterbliebene Gemahlin:Ich sende etwas in Ihr Haus es ist kein prunkvoller Kranz; es sind ein paar Zweige von Palmen, Lorbeer und Oliven, frisch von der Natur, aus Ihrem ehemaligen Garten aus dem Capitol: Sinnbilder einer schönen Vergangen­heit." Aber auch er hat nach diesem Aufenthalte Rom nicht wiedergesehen: in einem der letzten an Frau von Thile gerichteten Briefe, welche gleichsam den Epilog der Sammlung bilden, schreibt er zwar Ende 1890 aus München, daß er im nächsten Herbst dorthin zurückkehren wolle, doch er sollte diesen Herbst nicht erleben. Wenige Monate nach der Feier seines siebzigsten Geburtstages, am 1. Mai 1891, ist er gestorben.

ck. U.

Eine neue Goethe-Biographie.

Goethe. Non Richard Msoritzj. M e y er. Preisgekrönte Arbeit. Berlin, E. Hofmann L Co. 1895.

Der Markt wimmelt heute mehr denn je von Büchern über Goethe, guten und schlechten, und viele gehen, ein Faustwort zu parodiren, breit ins Breite: je höher die Forschung schwillt, um so ferner bleibt uns die Kunst französischer Biographien, klar zusammenzusassen. Man erschrickt vor Studien, die wahrscheinlich nur der Verfasser und sein Setzer ausharrend lesen. Dazu kommt in weiten Kreisen, auch der Goethe-Gesellschaft, ein unterschiedsloser Abscheu vor allerGoethe-Philologie", so daß selbst Zeitungsschreiber, die ihren Goethe nur vonPremieren" her kennen, sich leicht aufs hohe Pferd gegen die Zünftler schwingen mögen. Man hat un­ermüdlich auf Lewes gescholten, ihn aber nicht durch ein zugleich solides und les­bares deutsches Buch ausgestochen. Neben Herman Grimm's vom Berge zum Berge