Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Bald nach zehn Uhr brach er auf und versprach am anderen Tage wieder­zukommen, uw nach den Befehlen zu fragen.

Und gleich, nachdem er gegangen, zog sich auch Effi in ihre Zimmer zurück.

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Am anderen Tage war das schönste Wetter, und Mutter und Tochter brachen früh aus, zunächst nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer ver­blieb und sich mit dem Durchblättern eines Albums beschäftigte. Dann ging es nach dem Thiergarten und bis in die Nähe des ,Zoologischen', um dort herum nach einer Wohnung zu suchen. Es traf sich auch wirklich so, daß man in der Keithstraße, woraus sich ihre Wünsche von Anfang an gerichtet hatten, etwas durchaus Passendes ausfindig machte, nur daß es ein Neubau war, feucht und noch unfertig.Es wird nicht gehen, liebe Effi," sagte Frau v. Briest,schon einfach Gesundheitsrücksichten werden es verbieten. Und dann, ein Geheimrath ist kein Trockenwohner."

Effi, so sehr ihr die Wohnung gefiel, war umso einverstandener mit diesen Bedenken, als ihr an einer raschen Erledigung überhaupt nicht lag, ganz im Gegentheil: ,Zeit gewonnen. Alles gewonnen', und so war ihr denn ein Hinausschieben der ganzen Angelegenheit eigentlich das Liebste, was ihr be­gegnen konnte.Wir wollen diese Wohnung aber doch im Auge behalten, Mama, sie liegt so schön und ist im Wesentlichen das, was ich mir gewünscht habe." Dann fuhren beide Damen in die Stadt zurück, aßen im Restaurant, das man ihnen empfohlen, und waren am Abend in der Oper, wozu der Arzt unter der Bedingung, daß Frau v. Briest mehr hören als sehen wolle, die Erlaubniß gegeben hatte.

Die nächsten Tage nahmen einen ähnlichen Verlaus; man war aufrichtig erfreut, sich wieder zu haben und nach so langer Zeit wieder ausgiebig mit einander plaudern zu können. Effi, die sich nicht bloß auf Zuhören und Er­zählen, sondern, wenn ihr am wohlsten war, auch aus Medisiren ganz vor­züglich verstand, gerieth mehr als einmal in ihren alten Uebermuth, und die Mama schrieb nach Haufe, wie glücklich sie sei, das ,Kind' wieder so heiter und lachlustig zu finden; es wiederhole sich ihnen allen die schöne Zeit von vor fast zwei Jahren, wo man die Ausstattung besorgt habe. Auch Vetter Briest sei ganz der Alte. Das war nun auch wirklich der Fall, nur mit dem Unterschiede, daß er sich seltener sehen ließ, als vordem, und auf die Frage nach dem ,Warum' anscheinend ernsthaft versicherte:Du bist mir zu gefähr­lich, Cousine." Das gab dann jedesmal ein Lachen bei Mutter und Tochter, und Effi sagte:Dagobert, Du bist freilich noch sehr jung, aber zu solcher Form des Courmachens doch nicht mehr jung genug."

So waren schon beinah vierzehn Tage vergangen. Jnnstetten schrieb immer dringlicher und wurde ziemlich spitz, fast auch gegen die Schwieger­mama, so daß Effi einsah, ein weiteres Hinausschieben sei nicht mehr gut möglich, und es müsse nun wirklich gemiethet werden. Aber was dann? Bis zum Umzuge nach Berlin waren immer noch drei Wochen, und Jnnstetten drang aus rasche Rückkehr. Es gab also nur ein Mittel: sie mußte wieder eine Komödie spielen, mußte krank werden.