Heft 
(1894) 82
Seite
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Effi Briest.

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Das kam ihr aus mehr als einem Grunde nicht leicht an; aber es mußte sein, und als ihr das feststand, stand ihr auch fest, wie die Rolle, bis in die kleinsten Einzelheiten hinein, gespielt werden müsse.

Mama, Jnnstetten, wie Du siehst, wird über mein Ausbleiben empfind­lich. Ich denke, wir geben also nach und miethen heute noch. Und morgen reise ich. Ach, es wird mir so schwer, mich von Dir zu trennen."

Frau v. Briest war einverstanden.Und welche Wohnung wirst Du wählen?"

Natürlich die erste, die in der Keithstraße, die mir von Anfang an so gut gefiel und Dir auch. Sie wird Wohl noch nicht ganz ausgetrocknet sein, aber es ist ja das Sommerhalbjahr, was einigermaßen ein Trost ist. Und wird es mit der Feuchtigkeit zu arg und kommt ein bißchen Rheumatismus, so Hab' ich ja schließlich immer noch Hohen-Cremmen."

Kind, beruf' es nicht; ein Rheumatismus ist mitunter da, man weiß nicht wie."

Diese Worte der Mama kamen Effi sehr zu paß. Sie miethete denselben Vormittag noch und schrieb eine Karte an Jnnstetten, daß sie den nächsten Tag zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen. Als dann aber der andere Morgen da war, ließ Effi die Mama an ihr Bett rufen und sagte:Mama, ich kann nicht

reisen. Ich habe ein solches Reißen und Ziehen, es schmerzt mich über den ganzen Rücken hin, und ich glaube beinah, es ist ein Rheumatismus. Ich hätte nicht gedacht, daß das so schmerzhaft sei."

Siehst Du, was ich Dir gesagt habe; man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Gestern hast Du noch leichtsinnig darüber gesprochen, und heute ist es schon da. Wenn ich Schweigger sehe, werde ich ihn fragen, was Du thun sollst."

Nein, nicht Schweigger. Der ist ja ein Specialist. Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen, in so was Anderem zu Rathe gezogen zu werden. Ich denke, das Beste ist, wir warten es ab. Es kann ja auch vorüber­gehen. Ich werde den ganzen Tag über von Thee und Sodawasser leben, und wenn ich dann transpirire, komm' ich vielleicht d'rüber hin."

Frau v. Briest drückte ihre Zustimmung aus, bestand aber darauf, daß sie sich gut verpflege. Daß man nichts genießen müsse, wie das früher Mode war, das sei ganz falsch und schwäche bloß; in diesem Punkte stehe sie ganz zu der jungen Schule: tüchtig essen.

Effi sog sich nicht wenig Trost aus diesen Anschauungen, schrieb ein Telegramm an Jnnstetten, worin sie von demleidigen Zwischenfall" und einer ärgerlichen, aber doch nur momentanen Behinderung sprach, und sagte dann zu Roswitha:Roswitha, Du mußt mir nun auch Bücher besorgen; es wird nicht schwer halten, ich will alte, ganz alte."

Gewiß, gnäd'ge Frau. Die Leihbibliothek ist ja gleich hier nebenan. Was soll ich besorgen?"

Ich will es ausschreiben, allerlei zur Auswahl, denn mitunter haben sie nicht das Eine, was man grade haben will." Roswitha brachte Bleistift und