Heft 
(1894) 82
Seite
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Deutsche Rundschau.

Papier, und Effi schrieb auf: Walter Scott, Jvanhoe oder Quentin Durward; Cooper, Der Spion; Dickens, David Copperfield; Willibald Alexis, Die Hosen des Herrn v. Bredow.

Roswitha las den Zettel durch und schnitt in der anderen Stube die letzte Zeile fort; sie genirte sich ihret- und ihrer Frau wegen, den Zettel in seiner ursprünglichen Gestalt abzugeben.

Ohne besondere Vorkommnisse verging der Tag. Am anderen Morgen War es nicht besser und am dritten auch nicht.

Effi, das geht so nicht länger. Wenn so 'was einreißt, dann wird man's nicht wieder los; wovor die Doctoren am meisten warnen und mit Recht, das sind solche Verschleppungen."

Effi seufzte.Ja, Mama, aber wen sollen wir nehmen? Nur keinen jungen; ich weiß nicht, aber es würde mich geniren."

Ein junger Doctor ist immer gsnant, und wenn er es nicht ist, desto schlimmer. Aber Du kannst Dich beruhigen; ich komme mit einem ganz alten, der mich schon behandelt hat, als ich noch in der Hecker'schen Pension war, also vor etlichen zwanzig Jahren. Und damals war er nah an Fünfzig und hatte schönes graues Haar, ganz kraus. Er war ein Damenmann, aber in den richtigen Grenzen. Aerzte, die das vergessen, gehen unter, und es kann auch nicht anders sein; unsere Frauen, wenigstens die aus der Gesellschaft, haben immer noch einen guten Fond."

Meinst Du? ich freue mich immer, so 'was Gutes zu hören. Denn mitunter hört man doch auch Andres. Und schwer mag es Wohl oft sein. Und wie heißt denn der alte Geheimrath? Ich nehme an, daß es ein Geheim­rath ist."

Geheimrath Rummschüttel."

Effi lachte herzlich.Rummschüttel! Und als Arzt für Jemanden, der sich nicht rühren kann."

Effi, Du sprichst so sonderbar. Große Schmerzen kannst Du nicht haben."

Nein, in diesem Augenblicke nicht; es wechselt beständig."

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Am anderen Morgen erschien Geheimrath Rummschüttel. Frau v. Briest empfing ihn, und als er Effi sah, war sein erstes Wort:Ganz die Mama."

Diese wollte den Vergleich ablehnen und meinte, zwanzig Jahre und drüber seien doch eine lange Zeit; Rummschüttel blieb aber bei seiner Be­hauptung, zugleich versichernd: nicht jeder Kopf präge sich ihm ein, aber wenn er überhaupt erst einen Eindruck empfangen habe, so bleibe der auch für immer.Und nun, meine gnädigste Frau v. Jnnstetten, wo fehlt es, wo sollen Wir Helsen?"

Ach, Herr Geheimrath, ich komme in Verlegenheit, Ihnen auszudrücken, was es ist. Es wechselt beständig. In diesem Augenblick ist es wie weg­geflogen. Anfangs habe ich an Rheumatisches gedacht, aber ich möchte beinah glauben, es sei eine Neuralgie, Schmerzen den Rücken entlang, und dann kann ich mich nicht ausrichten. Mein Papa leidet an Neuralgie, da Hab' ich es früher beobachten können. Vielleicht ein Erbstück von ihm."