Efsi Briest.
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„Lieb und gut wie immer. Wir können Gott nicht genug danken, eine so liebenswürdige Tochter zu haben. Und wie dankbar sie sür Alles ist und immer so glücklich, wieder unter unserm Dach zu sein."
„Ja," sagte Briest, „sie hat von dieser Tugend mehr als mir lieb ist. Eigentlich ist es, als Wäre dies hier immer noch ihre Heimstätte. Sie hat doch den Mann und das Kind, und der Mann ist ein Juwel und das Kind ist ein Engel, aber dabei thut sie als wäre Hohen - Cremmen immer noch die Hauptsache sür sie, und Mann und Kind kämen gegen uns beide nicht an. Sie ist eine prächtige Tochter, aber sie ist es mir zu sehr. Es ängstigt mich ein bißchen. Und ist auch ungerecht gegen Jnnstetten. Wie steht es denn eigentlich damit?"
„Ja, Briest, was meinst Du?"
„Nun, ich meine, was ich meine, und Du weißt auch 'was. Ist sie glücklich? Oder ist da doch irgend 'was im Wege? Von Anfang an war mir's so, als ob sie ihn mehr schätze als liebe. Und das ist in meinen Augen ein schlimm Ding. Liebe hält auch nicht immer vor, aber Schätzung gewiß nicht. Eigentlich ärgern sich die Weiber, wenn sie wen schätzen müssen; erst ärgern sie sich, und dann langweilen sie sich, und zuletzt lachen sie."
„Hast Du so 'was an Dir selber erfahren?"
„Das will ich nicht sagen. Dazu stand ich nicht hoch genug in der Schätzung. Aber schrauben wir uns nicht weiter, Luise. Sage, wie steht es?"
„Ja, Briest, Du kommst immer wieder aus diese Dinge zurück. Da reicht ja kein Dutzend mal, daß wir darüber gesprochen und unsere Meinungen ausgetauscht haben, und immer bist Du wieder da mit Deinem alles Wissenwollen und fragst dabei so schrecklich naiv, als ob ich in alle Tiefen sähe. Was hast Du nur sür Vorstellungen von einer jungen Frau und ganz speciell von Deiner Tochter? Glaubst Du, dast das Alles so plan da liegt? Oder daß ich ein Orakel bin (ich kann mich nicht gleich auf den Namen der Person besinnen) oder daß ich die Wahrheit sofort klipp und klar in Händen halte, wenn mir Esst ihr Herz ausgeschüttet hat? Oder was man wenigstens so nennt. Denn was heißt Herz ausschütten? Das Eigentliche bleibt doch zurück. Sie wird sich hüten, mich in ihre Geheimnisse einzuweihen. Außerdem, ich weiß nicht, von wem sie's hat, sie ist . .. ja, sie ist eine sehr schlaue kleine Person, und diese Schlauheit an ihr ist um so gefährlicher, Weil sie so sehr liebenswürdig ist."
„Also das gibst Du doch zu . . . liebenswürdig. Und auch gut?"
„Auch gut. Das heißt, voll Herzensgüte. Wie's sonst steht, da bin ich mir doch nicht sicher; ich glaube, sie hat einen Zug, den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen und sich zu trösten, er werde Wohl nicht allzu streng mit ihr sein."
„Meinst Du?"
„Ja, das mein' ich. Uebrigens glaube ich, daß sich Vieles gebessert hat. Ihr Charakter ist wie er ist, aber die Verhältnisse liegen seit ihrer Ueber- siedlung um Vieles günstiger, und sie leben sich mehr und mehr in einander
Deutsche Rundschau. XXI, 5. 12